Zur Startseite

Der folgende Text ist zuerst erschienen in: Stefan Kadelbach (Hrsg.), Europäische Verfassung und direkte Demokratie, Baden-Baden 2006, S. 81-110.

Wissenschaftlicher Assistent Dr. Tobias Herbst, Humboldt-Universität zu Berlin

Deutsches Referendum über den EU-Verfassungsvertrag?

A. Einleitung

Nachdem sich die Koalitions- und Oppositionsparteien im Vorfeld der Ratifizierung des Verfassungsvertrages nicht auf eine Verfassungsänderung einigen konnten, auf deren Grundlage ein Referendum über den Vertrag hätte durchgeführt werden können,[1] wurde das Zustimmungsgesetz[2] zum Vertrag über eine Verfassung für Europa durch den Bundestag und den Bundesrat verabschiedet.[3] Ein Referendum[4] ist nicht vorgesehen. Der Bundespräsident hat allerdings das Zustimmungsgesetz noch nicht ausgefertigt und angekündigt, darüber erst dann zu entscheiden, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung in den gegen den Verfassungsvertrag anhängigen Verfahren getroffen hat.[5] Der Bundestagsabgeordnete Dr. P. Gauweiler hatte nämlich mit einer Organklage und einer Verfassungsbeschwerde u.a. das Fehlen eines deutschen Referendums über den Verfassungsvertrag gerügt;[6] eine Entscheidung über diese Anträge steht zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung (Juni 2005) noch aus. Sollten diese Anträge Erfolg haben, so könnte die Frage nach einem deutschen Referendum über den Verfassungsvertrag erneut aktuell werden.

Aufgrund des Scheiterns der Referenden in Frankreich und den Niederlanden und des ungewissen Ausgangs noch nicht abgeschlossener Ratifikationsverfahren in weiteren Mitgliedstaaten erscheint das Inkrafttreten des Verfassungsvertrages allerdings auch insgesamt als zweifelhaft. Scheitert das Ratifikationsverfahren in mindestens einem Mitgliedstaat endgültig und tritt der Verfassungsvertrag deswegen nicht in Kraft, so ist eine der dann möglichen Optionen die Neuverhandlung eines Verfassungsvertrages, der wiederum in allen Mitgliedstaaten zu ratifizieren wäre. Auch dann wäre möglicherweise die Frage nach einem Referendum über diesen Vertrag in Deutschland wieder auf der politischen Tagesordnung.

Die Beschäftigung mit dieser Frage erscheint daher als lohnend, zumal sie Probleme aufwirft und Überlegungen provoziert, die generell für die schon seit langem diskutierte Einführung von Referenden auf Bundesebene Bedeutung haben. Im Folgenden sollen vor allem drei Gesichtspunkte dieser Frage erörtert werden: Zum einen soll untersucht werden, ob sich aus dem Grundgesetz die Notwendigkeit eines Referendums über den Verfassungsvertrag ableiten lässt; weiterhin soll die Frage gestellt werden, ob ganz generell, also ohne speziellen Bezug zum Grundgesetz, ein solches Referendum wünschenswert und sinnvoll ist; und schließlich soll die verfassungsrechtliche Möglichkeit eines solchen Referendums nach dem Grundgesetz betrachtet werden.

B. Verlangt das Grundgesetz ein Referendum über den Verfassungsvertrag?

I. Normative Vorgaben des Grundgesetzes

Das Zustimmungsgesetz zum Verfassungsvertrag wurde auf der Grundlage von Art. 59 II 1 GG und Art. 23 I 3 i.V.m. Art. 79 II GG[7] von Bundestag und Bundesrat mit den erforderlichen Zweidrittelmehrheiten beschlossen. Im Hinblick auf das Gesetzgebungsverfahren handelt es sich bei dem Zustimmungsgesetz um ein verfassungsänderndes Gesetz. Das Grundgesetz sieht hierfür kein Referendum vor.

Allerdings sind verfassungsändernde Gesetze materiell an die Grenzen des Art. 79 III GG gebunden; für den Fall der Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union wird dies durch Art. 23 I 3 GG nochmals unterstrichen. Verstößt ein verfassungsänderndes Gesetz gegen Art. 79 III GG (oder gegen den änderungsfesten Verfassungskern schlechthin, dazu sogleich), so liegt keine verfassungsgemäße Verfassungsänderung vor. Ein solches Gesetz ist nach dem Grundgesetz unzulässig. Wird es dennoch erlassen und tritt wirksam in Kraft, so stellt dies einen Bruch mit dem Grundgesetz dar. Verfassungstheoretisch kann eine solche Normsetzung als Akt der Verfassunggebung qualifiziert werden.[8]

Für Akte der Verfassunggebung scheint Art. 146 GG bei oberflächlicher Betrachtung die Durchführung eines Referendums zu verlangen. Diese Ansicht trifft jedoch in zweifacher Hinsicht nicht zu:[9] Zum einen lässt sich aus der Formulierung „von dem deutschen Volke ... beschlossen“ nicht ableiten, dass dieser Beschluss in Form eines Referendums stattfinden müsse. Das Volk kann vielmehr eine Verfassung auch in einem repräsentativen Verfahren beschließen, etwa durch eine verfassunggebende Versammlung. Auch das geltende Grundgesetz wurde in einem repräsentativen Verfahren beschlossen; dennoch findet sich in der Präambel dafür die Formulierung „hat sich das deutsche Volk ... dieses Grundgesetz gegeben“. Aus Art. 146 GG kann aber auch deswegen keine Notwendigkeit eines Referendums abgeleitet werden, weil diese Vorschrift nach der Wiedervereinigung nur noch deklaratorische Bedeutung hat:[10] Sie weist auf den Umstand hin, dass das Grundgesetz durch eine wirksame erneute Verfassunggebung seine Geltung verlieren würde. Normative Vorgaben für eine solche Verfassunggebung macht Art. 146 GG nicht; eine erneute Verfassunggebung zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass sie mit der alten Verfassung bricht und daher keiner Bindung an diese alte Verfassung unterliegt – insbesondere keiner Bindung im Hinblick auf das Verfahren der Verfassunggebung.

Auch wenn man der gegenteiligen Ansicht folgt und aus Art. 146 GG Vorgaben für die Verfassunggebung ableitet, ist ein Referendum jedenfalls dann verfassungsrechtlich nicht gefordert, wenn die Zustimmung zum Verfassungsvertrag den Anwendungsbereich des Art. 146 GG überhaupt nicht berührt. Das ist dann der Fall, wenn der Verfassungsvertrag materiell die Grenzen der Verfassungsänderung, d.h. die Grenzen des Art. 79 III GG bzw. des änderungsfesten Verfassungskerns des Grundgesetzes einhält. Das ist nun zu erörtern.

II. Die Grenzen der Verfassungsänderung als Integrationsgrenzen

Häufig wird die Ansicht vertreten, dass sich eine absolute verfassungsrechtliche Grenze für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EG bzw. EU[11] aus Art. 79 III GG ergebe; jedenfalls sei die Übertragung der Kompetenzhoheit, die zu einem Verlust der Souveränität Deutschlands führen würde, mit dieser Vorschrift nicht vereinbar.[12] Es wird argumentiert, Art. 79 III GG schütze die (souveräne) Staatlichkeit Deutschlands, und die Eingliederung in einen Europäischen Bundesstaat bzw. eine zu weit gehende, die Staatlichkeit Deutschlands aushöhlende Übertragung von Hoheitsrechten würde Art. 79 III GG verletzen und sei daher nicht einmal im Wege der Verfassungsänderung zulässig.

Diese Ansicht ist jedoch durchaus zweifelhaft.[13] Art. 79 III GG schützt bestimmte Grundsätze (etwa solche des in Art. 20 GG enthaltenen Demokratieprinzips), macht aber keine Angaben darüber, im Rahmen welchen Staates oder politischen Verbandes diese Grundsätze zu schützen sind. Der Schutz gilt generell, unabhängig von einer eventuellen Eingliederung Deutschlands in einen souveränen Europäischen Bundesstaat. Art. 79 III GG würde daher eine solche Eingliederung nicht verbieten. Der Schutz der Grundsätze des Art. 79 III GG müsste dann allerdings auch auf der neuen europäischen Bundesebene gewährleistet sein; Art. 79 III GG würde die Eingliederung in einen Europäischen Bundesstaat nur unter der Voraussetzung erlauben, dass die Verfassung dieses neuen Bundesstaates eine dem Art. 79 III GG entsprechende Regelung enthält.

Dennoch wäre die Eingliederung in einen souveränen Europäischen Bundesstaat nicht ohne weiteres durch bloßes verfassungsänderndes Gesetz möglich. Die verfassungsrechtliche Integrationsgrenze ergibt sich zwar nicht aus Art. 79 III GG, aber aus dem Gedanken des Verfassungsstaates und der auf einer Verfassung beruhenden Legitimität der Ausübung von Hoheitsgewalt. Ein wesentlicher Zweck moderner Verfassungen ist nämlich die Sicherung der Freiheit der Individuen.[14] Diese Freiheitssicherung als ein[15] Grundgedanke der Verfassungsstaatlichkeit verlangt, dass alle staatliche Gewalt und jede Form der Ausübung von Hoheitsgewalt an die Verfassung gebunden ist. Auch der Gesetzgeber hat die Verfassung zu beachten und kann sie nicht beliebig ändern. Wenn dennoch die meisten Verfassungen ein Verfassungsänderungsverfahren vorsehen (verfassungsänderndes Organ kann dabei der Gesetzgeber selbst sein), so ist dies ein Mittel, um die Verfassung an geänderte Verhältnisse anzupassen. Eine solche Anpassungsmöglichkeit ist sinnvoll, weil die Gefahr besteht, dass eine zu starre Verfassung den Belastungen unter geänderten Verhältnissen nicht standhält und „zerspringt“. Allerdings darf diese Änderungsmöglichkeit nicht grenzenlos sein – andernfalls wäre der freiheitssichernde Schutz der Verfassung zumindest gegenüber dem verfassungsändernden Organ nicht gewährleistet. Ein Kern der Verfassung muss daher dem Zugriff auch des verfassungsändernden Organs entzogen sein.

Der änderungsfeste Verfassungskern des Grundgesetzes wäre z.B. dann verletzt, wenn der Grundrechtsschutz völlig aufgehoben oder die Gewaltenteilung abgeschafft würde. Grundlegende Änderungen am System freiheitssichernder Verfassungsnormen sind ebenso unzulässig wie Änderungen der Revisionsnorm, also des Art. 79 GG. Zum Teil ist der änderungsfeste Verfassungskern des Grundgesetzes ausdrücklich in Art. 79 III GG normiert; er ist aber nicht notwendig mit dem durch diese Regelung geschützten Bereich identisch. Der änderungsfeste Verfassungskern kann auch durch die Übertragung von Hoheitsrechten verletzt werden; das wäre dann der Fall, wenn sehr weitgehende Kompetenzen oder gar die Kompetenzhoheit auf die EG/EU übertragen werden; denn dann wäre nicht mehr gewährleistet, dass die Ausübung von Hoheitsgewalt in Deutschland grundsätzlich dem System freiheitssichernder Verfassungsnormen des Grundgesetzes unterliegt.

III. Verletzt der Verfassungsvertrag die Grenzen der Verfassungsänderung?

Nach dem Grundgesetz ist ein Referendum über den Verfassungsvertrag zumindest dann nicht erforderlich, wenn das Zustimmungsgesetz die Grenzen der Verfassungsänderung nicht überschreitet; diese Grenzen ergeben sich nach dem oben Gesagten aus Art. 79 III GG bzw., wie hier vertreten, aus dem änderungsfesten Verfassungskern des Grundgesetzes.

Eine detaillierte Analyse der einzelnen Vorschriften des Verfassungsvertrages kann hier nicht geleistet werden. Einige grundsätzliche Überlegungen sind jedoch möglich: Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Grenzen der Verfassungsänderung überschritten sind, ist der Umfang der auf die EU übertragenen Kompetenzen. Die Kompetenzübertragung darf nicht so weit gehen, dass die Ausübung von Hoheitsgewalt in Deutschland in wesentlichem Umfang nicht mehr durch das Grundgesetz normiert und beschränkt wird. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Verfassungsvertrag die Kompetenzhoheit bzw. Souveränität der EU begründen würde oder derart umfangreiche neue oder erweiterte Kompetenzen auf die EU übertragen würde, dass nicht mehr gewährleistet wäre, dass die Ausübung von Hoheitsgewalt in Deutschland grundsätzlich durch das Grundgesetz normiert und beschränkt wird. Würde die Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten eine solche neue Qualität erreichen, dann wären die Grenzen der Verfassungsänderung verletzt.

1. Kompetenzhoheit der EU?

Zunächst ist also zu fragen, ob die EU durch den Verfassungsvertrag die Kompetenzhoheit erhält. Der Normbefund führt auf den ersten Blick zum gegenteiligen Ergebnis: Art. I-11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VVE normiert das bisher lediglich aus dem System der Kompetenzzuweisungen des Primärrechts ableitbare[16] Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung erstmals ausdrücklich. Art. I-11 Abs. 2 S. 2 VVE stellt dabei klar, dass alle nicht durch begrenzte Einzelermächtigung in der Verfassung übertragenen Zuständigkeiten bei den Mitgliedstaaten verbleiben. Schon diese Regelungen schließen eine Kompetenzhoheit der EU aus. Die Ausübung der Unionskompetenzen wird zusätzlich durch die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit begrenzt, die der Verfassungsvertrag in Art. I-11 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 4 VVE aufgreift.[17]

Der Verfassungsvertrag begründet aber auch implizit oder „versteckt“ keine Kompetenzhoheit der EU. Insbesondere aus Art. I-54 Abs. 1 VVE ergibt sich keine Kompetenzhoheit der EU. In dieser Vorschrift heißt es: „Die Union stattet sich mit den erforderlichen Mitteln aus, um ihre Ziele erreichen und ihre Politik durchführen zu können.“ Diese Vorschrift entspricht Art. 6 Abs. 4 EUV bzw. Art. F Abs. 3 EUV a.F. Schon in den früheren Fassungen wurde diese Regelung dahin ausgelegt, dass ihr Anwendungsbereich auf finanzielle Mittel beschränkt ist, dass also zu den „Mitteln“ nicht etwa auch Rechtsetzungskompetenzen zählen.[18] Jetzt findet sich die Regelung, anders als in der bisherigen Fassung, nicht bei den „Gemeinsamen Bestimmungen“, sondern in Titel VII von Teil I des Verfassungsvertrages mit der Überschrift „Die Finanzen der Union“. Damit ist der eingeschränkte Anwendungsbereich dieser Vorschrift nun auch aus ihrer systematischen Stellung erkennbar.

Art. I-18 Abs. 1 VVE lautet: „Erscheint ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in Teil III festgelegten Politikbereiche erforderlich, um eines der Ziele der Verfassung zu verwirklichen, und sind in dieser Verfassung die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen, so erlässt der Ministerrat einstimmig auf Vorschlag der Europäischen Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments die geeigneten Maßnahmen.“ Beim ersten Hinsehen scheint diese Vorschrift („Flexibilitätsklausel“) einen Anknüpfungspunkt für eine Kompetenzhoheit der EU darzustellen. Die Regelung entspricht dem Art. 308 EGV bzw. Art. 235 EGV a.F. mit dem Unterschied, dass Art. 308 EGV sich auf die Zielverwirklichung „im Rahmen des Gemeinsamen Marktes“ bezog, während nun dieser Rahmen auf die Politikbereiche des Teils III erstreckt wird. Zu diesen Politikbereichen zählt nicht nur der Binnenmarkt (dort Kapitel I), sondern auch die Wirtschafts- und Währungspolitik (Kapitel II), die „Politik in anderen Bereichen“ (Kapitel III) wie z.B. Beschäftigung, Sozialpolitik, Umwelt oder Forschung sowie die Zusammenarbeit in den Bereichen Inneres und Justiz (Kapitel IV) und verschiedene Bereiche, in denen die Union Unterstützungs-, Koordinierungs- oder Ergänzungsmaßnahmen durchführen kann (Kapitel V, z.B. Öffentliche Gesundheit, Tourismus, Katastrophenschutz, Verwaltungszusammenarbeit).[19] Der Anwendungsbereich des bisherigen Art. 308 EGV wird dadurch erweitert; allerdings ändert sich an der Konzeption dieser Regelung nichts. Es handelt sich um eine Vorschrift zur Kompetenzergänzung bzw. -abrundung, die eng ausgelegt und zurückhaltend angewendet werden muss.[20] Auch der EuGH hat – nach anfänglich eher großzügiger Auslegung dieser Vorschrift – den Art. 308 EGV restriktiv ausgelegt: Er schließt bei politisch besonders bedeutsamen Vorhaben die Anwendung des Art. 308 EGV aus und verweist auf die Vertragsänderung nach Art. 48 EUV (Art. N EUV a.F.).[21] Im Übrigen bedarf die Aktivierung der Flexibilitätsklausel nun der Zustimmung des Europäischen Parlaments (bisher war in Art. 308 EGV nur eine Anhörung des Parlaments vorgesehen); außerdem werden nun auch die nationalen Parlamente im Rahmen der Subsidiaritätskontrolle („Frühwarnsystem“) beteiligt (Art. I-18 Abs. 2 i.V.m. Art. I-11 Abs. 3 VVE und dem Protokoll[22] über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit).[23] Darüber hinaus schließt Art. I-18 Abs. 3 VVE die Anwendung der Flexibilitätsklausel ausdrücklich für die Fälle aus, in denen der Verfassungsvertrag eine Harmonisierung ausschließt. Die Auswirkungen der Flexibilitätsklausel werden durch diese Regelungen gegenüber dem bisherigen Art. 308 EGV eingeschränkt. Aus dieser Vorschrift lässt sich also keine Kompetenzhoheit ableiten – auch wenn es wünschenswert gewesen wäre, die Voraussetzungen des Art. I-18 VVE enger zu formulieren und damit den Anwendungsbereich der Kompetenzergänzung weiter einzuschränken.[24]

Auch das neue vereinfachte Vertragsänderungsverfahren nach Art. IV-445 VVE, mit dem die Bestimmungen des Teils III Titel III ohne das für ordentliche Vertragsänderungen nun vorgesehene Konventsverfahren (vgl. Art. IV-443 VVE) durch einen einstimmigen Europäischen Beschluss[25] des Europäischen Rates geändert werden können, führt nicht zu einer Kompetenzhoheit der Union. Abgesehen davon, dass ein solcher Europäischer Beschluss nach Art. IV-445 Abs. 2 UAbs. 2 der Zustimmung aller Mitgliedstaaten nach ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften bedarf (in Deutschland also eines Gesetzes, das die Voraussetzungen des Art. 79 II GG erfüllt – das ergibt sich aus Art. 23 I 2, 3 GG), schließt Art. IV-445 Abs. 3 eine Ausdehnung von Zuständigkeiten im vereinfachten Verfahren ausdrücklich aus.[26]

Schließlich begründet auch Art. I-6 VVE keine Kompetenzhoheit der EU. Dort heißt es: „Die Verfassung und das von den Organen der Union in Ausübung der der Union übertragenen Zuständigkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten.“ Damit wird zwar erstmals der Vorrang des Unionsrechts vor dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten ausdrücklich im geschriebenen Primärrecht normiert. Diesen Vorrang genießen aber nur der der Zustimmung aller Mitgliedstaaten unterliegende Verfassungsvertrag und dasjenige Unionsrecht, das in Ausübung einer von den Mitgliedstaaten auf die Union übertragenen Kompetenz gesetzt wird; die Union kann sich also nicht selbst beliebige Kompetenzen geben, sondern ist nach wie vor auf eine Kompetenzübertragung durch die Mitgliedstaaten angewiesen. Art. I-6 VVE kodifiziert im Übrigen lediglich die schon geltende und anerkannte Rechtsprechung vor allem des EuGH zum Anwendungsvorrang des Rechts der EG bzw. der EU und nimmt hier keine Neuregelung vor.[27]

Der Verfassungsvertrag begründet also keine Kompetenzhoheit der EU.[28] Diese fehlende Souveränität der EU wird unterstrichen durch das im Verfassungsvertrag erstmals ausdrücklich vorgesehene, bisher umstrittene[29] Austrittsrecht der Mitgliedstaaten (Art. I-60 VVE).[30]

2. Der Umfang neuer Einzelkompetenzen der EU

Die Grenzen der Verfassungsänderung könnten aber auch durch die mit dem Verfassungsvertrag verbundene Übertragung neuer Einzelkompetenzen auf die EU überschritten werden, wenn dies zu einer qualitativen Änderung der Kompetenzverteilung führen würde. Eine Kompetenzverschiebung größeren Umfangs könnte durch die Änderung der Gesamtstruktur der EU erfolgen: Die bisherige „Tempelstruktur“ mit den beiden Gemeinschaften (Europäische Gemeinschaft und Euratom) als supranationale erste Säule sowie den intergouvernementalen „Politiken und Formen der Zusammenarbeit“, nämlich Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) als zweite und dritte Säule, wird aufgelöst. Die zweite und dritte Säule werden in die einheitliche Rechtspersönlichkeit der EU eingegliedert. Dabei handelt es sich aber nicht eigentlich um eine „Vergemeinschaftung“ in dem Sinne, dass für die bisherige zweite und dritte Säule nun ohne Weiteres supranationale Verfahrensweisen und Rechtsaktwirkungen gelten würden.[31]

Im Bereich der GASP gilt nämlich im Wesentlichen weiterhin, dass Rechtsakte nur einstimmig und nur als Einzelakte beschlossen werden und keine unmittelbare Wirkung gegenüber den Unionsbürgern entfalten, dass das Europäische Parlament (außer in Form der Unterrichtung und Anhörung) nicht beteiligt wird, und dass in diesem Bereich keine Kontrolle durch den EuGH stattfindet.[32] Diese Strukturen kann man immer noch als „intergouvernemental“ bezeichnen. Hinsichtlich der GASP folgt aus der Auflösung der „Tempelstruktur“ also keine wesentliche Übertragung weiterer Kompetenzen von den Mitgliedstaaten auf die EU.[33]

Die PJZS dagegen ist nach den im Verfassungsvertrag für diesen Bereich vorgesehenen Verfahrensweisen und Rechtswirkungen nun eher als supranational einzustufen, wenn auch hier intergouvernementale Elemente verbleiben.[34] Durch den Verfassungsvertrag werden im Bereich der PJZS neue Hoheitsrechte von den Mitgliedstaaten auf die EU übertragen. Am augenfälligsten ist dies bei der neuen Regelung zur Europäischen Staatsanwaltschaft (Art. III-274 VVE), die für die strafrechtliche Untersuchung und Verfolgung sowie Anklageerhebung bei Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union zuständig ist. Die Europäische Staatsanwaltschaft nimmt in diesen Fällen vor den mitgliedstaatlichen Strafgerichten selbst die Aufgaben der Staatsanwaltschaft wahr. Angesichts der engen sachlichen Begrenzung und angesichts der Tatsache, dass das jeweilige Strafurteil durch die zuständigen nationalen Gerichte ergeht, kommt dieser neuen Einrichtung zwar vielleicht große symbolische Bedeutung zu, sie bringt aber keine wesentliche Kompetenzverschiebung mit sich. Auch die Aufnahme von Europol in die Regelungen des Verfassungsvertrages (Art. III-276 VVE) mit der Maßgabe, dass Aufbau, Arbeitsweise, Tätigkeitsbereich und Aufgaben dieser Behörde durch Europäisches Gesetz festgelegt werden sollen, bedeutet keinen wesentlichen Kompetenzverlust der Mitgliedstaaten. Abgesehen von der Beschränkung der Befugnisse von Europol auf den Bereich der Informationsbeschaffung und -verarbeitung, der notwendigen Koordinierung mit den Mitgliedstaaten bei operativen Maßnahmen und dem Verbot von Zwangsmaßnahmen ergibt sich dies schon daraus, dass Europol schon bisher existierte – nur eben als eigene Rechtspersönlichkeit aufgrund eines Abkommens der Mitgliedstaaten.[35] Der Transfer der Kompetenzen der bisher selbstständigen Europol auf die EU bringt den Mitgliedstaaten keinen weiteren Kompetenzverlust. Auch die übrigen Neuerungen, die der Verfassungsvertrag für die PJZS bringt, bedeuten keine wesentliche Kompetenzverschiebung.[36]

Durch die Auflösung der „Tempelstruktur“ entsteht daher insgesamt keine neue Qualität der Kompetenzverteilung. Aber auch im Übrigen werden durch den Verfassungsvertrag keine neuen Kompetenzen in einem Umfang auf die EU übertragen, dass dies einer Qualitätsänderung gleichkäme. Die neuen Zuständigkeiten etwa in den Bereichen Raumfahrt (Art. III-254), Energie (Art. III-256 VVE)[37], Sport (Art. III-282 VVE) oder Katastrophenschutz (Art. III-284) sind eher von untergeordneter Bedeutung, und die Zuständigkeitserweiterungen in den Bereichen, in denen die EU bzw. EG schon bisher Kompetenzen hatte, erreichen auch in ihrer Gesamtheit keinen Umfang, der zu einer Qualitätsänderung der Kompetenzverteilung führen würde.[38]

Kompetenzverluste der Mitgliedstaaten sind nicht nur im Wege der Übertragung von Sachzuständigkeiten denkbar, sondern auch im Fall der autonomen Verfahrensänderung. In bestimmten Fällen hat z.B. der Europäische Rat die Möglichkeit, einen Beschluss zu erlassen, aufgrund dessen das Einstimmigkeitserfordernis für Rechtsakte des Rates aufgegeben wird; dies eröffnet für die Zukunft die Möglichkeit, solche Rechtsakte auch gegen den Willen derjenigen Mitgliedstaaten zu erlassen, die nicht der jeweiligen (qualifizierten) Mehrheit angehören. Regelungen dieser Art (sog. Passerelle-Klauseln)[39] finden sich im Verfassungsvertrag an verschiedenen Stellen. Solche Klauseln sind ein Zeichen dafür, dass im Konvent bzw. in der Regierungskonferenz in bestimmten Bereichen eine Einigung auf Mehrheitsentscheidungen (noch) nicht möglich war, für die Zukunft aber der Übergang zu Mehrheitsentscheidungen ohne das aufwendige ordentliche Vertragsänderungsverfahren (Art. IV-443 VVE) ermöglicht werden sollte. Die wichtigsten derartigen Klauseln enthält die für alle Sachbereiche des Teils III anwendbare Vorschrift des Art. IV-444 VVE. Abs. 1 dieser Vorschrift sieht den Übergang von Einstimmigkeit im Rat zur qualifizierten Mehrheit vor, Abs. 2 den Übergang von besonderen Gesetzgebungsverfahren (z.B. mit dem Erfordernis der Zustimmung der Mitgliedstaaten) zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren. Allerdings sind diese Verfahrensänderungen an besondere Voraussetzungen gebunden: Gemäß Art. IV-444 Abs. 3 VVE bedürfen sie nicht nur eines einstimmigen Europäischen Beschlusses des Europäischen Rates, sondern auch der Zustimmung des Europäischen Parlaments; außerdem haben die Parlamente der Mitgliedstaaten, die von einem solchen Vorhaben zu unterrichten sind, die Möglichkeit, innerhalb von sechs Monaten ein Veto einzulegen. Lehnt ein nationales Parlament das Vorhaben ab, darf der Europäische Beschluss nicht erlassen werden. Die Aktivierung der Passerelle-Klauseln des Art. IV-444 VVE ist also nur mit der (stillschweigenden) Zustimmung aller mitgliedstaatlichen Parlamente möglich. Der eigentliche Kompetenzverlust der Mitgliedstaaten geschieht noch nicht durch die Regelung des Art. IV-444 VVE selbst, sondern erst mit der Aktivierung dieser Klausel und kann von jedem nationalen Parlament verhindert werden. Die Zustimmung des Regierungsvertreters im Europäischen Rat und das Vetorecht des nationalen Parlaments ist zwar nicht gleichzusetzen mit der „Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften“, wie sie bei anderen Vertragsänderungsverfahren (z.B. auch im vereinfachten Verfahren nach Art. IV-445 Abs. 2 UAbs. 2 VVE) erforderlich ist; dennoch sind die Hürden des Art. IV-444 Abs. 3 VVE so hoch, dass die Vorschrift des Art. IV-444 VVE selbst noch keinen Kompetenzverlust der Mitgliedstaaten bewirkt. Schwächer sind die Voraussetzungen des Kompetenzverlustes bei anderen Passerelle-Klauseln, die kein Veto der nationalen Parlamente vorsehen. So ermöglicht Art. III-210 Abs. 3 UAbs. 2 VVE für bestimmte Fälle im Bereich der Sozialpolitik den Übergang vom einstimmigen Beschluss eines Gesetzes oder Rahmengesetzes mit Anhörung des Europäischen Parlaments, des Ausschusses der Regionen und des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, und zwar aufgrund eines einstimmigen Europäischen Beschlusses des Rates auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung des Europäischen Parlaments. Für bestimmte Fälle im Bereich der Umweltpolitik ist der Übergang vom einstimmigen Erlass von Gesetzen und Rahmengesetzen zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch einstimmigen Europäischen Beschluss des Rates auf Vorschlag der Kommission möglich (Art. III-234 Abs. 2 UAbs. 2 VVE). Maßnahmen zum Familienrecht mit grenzüberschreitenden Bezügen können aufgrund eines einstimmigen Europäischen Beschlusses des Rates auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments für bestimmte Aspekte statt mit Einstimmigkeit dann im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden (Art. III-269 Abs. 3 UAbs. 2 VVE). Und im gesamten Bereich der GASP kann durch einstimmigen Beschluss des Europäischen Rates vorgesehen werden, dass der Rat für bestimmte Fälle mit qualifizierter Mehrheit anstelle der Einstimmigkeit beschließt (Art. III-300 Abs. 3 VVE); das gilt nicht für Beschlüsse mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen (Art. III-300 Abs. 4 VVE). Die letztere Änderungsmöglichkeit bedeutet nur einen geringen Kompetenzverlust der Mitgliedstaaten, weil der Bereich der GASP – außer eventuell in den gerade ausgeschlossenen Fällen von Militär und Verteidigung – ohnehin keinen Bezug zur Ausübung von Hoheitsgewalt hat. Die anderen genannten Änderungsmöglichkeiten bedeuten dagegen für sich genommen schon einen Kompetenzverlust der Mitgliedstaaten. Der Kompetenzübergang befindet sich schon durch die entsprechenden Änderungsvorschriften im Verfassungsvertrag „auf halbem Wege“; zum endgültigen Kompetenzübergang bedarf es im Wesentlichen nur noch der Zustimmung aller Mitglieder im Europäischen Rat bzw. im Rat. Damit liegt es in der Hand der jeweiligen Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten in ihrer Eigenschaft als Teil der Organe der EU, den Kompetenzverlust freizugeben. Der Anwendungsbereich der betreffenden Passerelle-Klauseln ist allerdings, wie die Beispiele zeigen, sachlich begrenzt. Anstelle dieser Klauseln hätte auch von vornherein die qualifizierte Mehrheit bzw. das ordentliche Gesetzgebungsverfahren für den jeweiligen Sachbereich vorgesehen werden können, ohne dass deswegen die Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten eine andere Qualität bekommen hätte.

Insgesamt lässt sich also nicht feststellen, dass der Verfassungsvertrag Kompetenzverschiebungen in einem Umfang bewirken würde, dass nicht mehr gewährleistet ist, dass die Ausübung von Hoheitsgewalt in Deutschland grundsätzlich durch das Grundgesetz normiert und beschränkt wird und deswegen die durch das Grundgesetz gesetzten Grenzen der Verfassungsänderung verletzt wären. Der Verfassungsvertrag konnte daher im Verfahren nach Art. 59 II 1 GG und Art. 23 I 3 i.V.m. Art. 79 II GG ratifiziert werden. Eines Referendums bedurfte es dazu nicht. Es kann also hier offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen eine Verletzung der Grenzen der Verfassungsänderung zulässig bzw. legitim wäre, insbesondere ob ein Referendum notwendige und hinreichende Bedingung dafür ist.[40]

C. Ist ein Referendum wünschenswert?

Ist also ein Referendum über den Verfassungsvertrag nach dem Grundgesetz nicht erforderlich, so kann dennoch gefragt werden, ob es politisch und unter allgemeinen Legitimitätsgesichtspunkten wünschenswert wäre. Verschiedene Gründe können insoweit für ein Referendum sprechen; diese sollen im Folgenden erörtert werden.

I. Besondere Anforderungen an die demokratische Legitimation des Verfassungsvertrages als Verfassung

Ein Referendum über den Verfassungsvertrag könnte schon deswegen als wünschenswert erscheinen, weil der Gegenstand des Verfassungsvertrages eine „Verfassung“ ist (so jedenfalls die im Verfassungsvertrag teilweise[41] selbst verwendete Bezeichnung – vgl. etwa Art. I-1 Abs. 1 VVE). Schließlich sollten Verfassungen, so eine verbreitete Meinung, idealerweise durch Referendum beschlossen werden; über eine Verfassung müsse „das Volk selbst“ entscheiden, und nur ein Verfassungsbeschluss durch Referendum werde der besonderen Bedeutung der Verfassung gerecht. Alternative Verfahrensgestaltungen wie z.B. der Beschluss einer Verfassung durch ein Repräsentationsorgan ohne anschließendes Plebiszit erscheinen in dieser Perspektive als defizitär.

Die Prämissen dieser Sichtweise müssen allerdings hinterfragt werden. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass durch den Verfassungsvertrag tatsächlich eine „Verfassung“ im herkömmlichen Sinne geschaffen wird; auch die vermeintliche Notwendigkeit eines Verfassungsbeschlusses durch Referendum bedarf einer näheren Betrachtung.

1. Die Verfassungsqualität des Verfassungsvertrages

Ob der Inhalt des Verfassungsvertrages als „Verfassung“ zu qualifizieren ist, bestimmt sich nicht nur nach dem im Wortlaut, nämlich in der erwähnten Verwendung des Begriffs „Verfassung“ zum Ausdruck kommenden Selbstverständnis des Vertrages. Für diese Qualifizierung ist vielmehr vor allem der Inhalt des Vertrages selbst zu betrachten; außerdem hängt sie von dem zugrunde gelegten Verfassungsbegriff ab.

Unter der Vielzahl denkbarer Verfassungsbegriffe sollen hier nur zwei herausgegriffen werden, mit denen die Problematik des EU-Verfassungsvertrages zugespitzt werden kann. Der herkömmliche Begriff der Staatsverfassung versteht die Verfassung als die rechtliche Grundordnung eines Staates bzw. genauer: eines souveränen Staates. Nicht immer wird dieser herkömmliche Verfassungsbegriff ausdrücklich als „Verfassung eines souveränen Staates“ bezeichnet oder definiert; manchmal wird er anders umschrieben, z.B. als „Verfassung im vollen Sinn des Begriffs“[42]. Gemeint ist dennoch häufig nichts anderes als eben die Verfassung eines souveränen Staates.[43] Das Grundgesetz ist jedenfalls eine Verfassung in diesem Sinne. Der EU-Verfassungsvertrag kann dagegen keine Verfassung in diesem herkömmlichen Sinne schaffen, weil die EU nach einhelliger Überzeugung kein souveräner Staat ist und dies auch nicht aufgrund des Verfassungsvertrages werden soll. Die Verwendung des Begriffs „Verfassung“ im Verfassungsvertrag ist unter dem Blickwinkel dieses herkömmlichen Verfassungsbegriffs irritierend und erscheint wie eine falsche Etikettierung.[44]

Dem herkömmlichen Verfassungsbegriff wird vor allem von Seiten der Europarechtler[45] ein anderer Verfassungsbegriff entgegengehalten, der auf die Anknüpfung an den souveränen Staat verzichtet; man kann ihn als „offenen Verfassungsbegriff“ bezeichnen. Der Vorteil des offenen Verfassungsbegriffs besteht vor allem darin, dass er die Möglichkeit eröffnet, die Schutzfunktion einer Verfassung für Individualrechte und ihre Ordnungsfunktion für das Gemeinwesen auch auf solche Organisationen, Verbände oder Gemeinschaften anzuwenden, die zwar Hoheitsgewalt ausüben, aber keine souveränen Staaten sind. Bei Verwendung des offenen Verfassungsbegriffs stellt das Normgefüge, das durch den Verfassungsvertrag geschaffen werden soll, unproblematisch eine Verfassung dar – ebenso wie schon das bisherige Primärrecht in Gestalt vor allem der Gründungsverträge.

Ein Umstand macht hier aber stutzig: Der Verfassungsvertrag ist der erste Normenkomplex des Primärrechts, der sich selbst als „Verfassung“ bezeichnet, und auch von politischer Seite wurde allgemein der Eindruck erweckt, dass der Verfassungsvertrag etwas grundlegend Neues darstelle, dass Europa mit dem Verfassungsvertrag nun erstmals eine Verfassung bekomme. Das impliziert, dass die bisher geltenden Verträge noch keine Verfassung darstellen. Abgesehen davon, dass eine solche Aussage im Widerspruch zur bisher herrschenden Ansicht unter den Europarechtlern[46] und auch des EuGH[47] steht, stellt sich die Frage, worin genau die Neuerung besteht, die das Primärrecht in Gestalt des Verfassungsvertrages nunmehr zu einer „Verfassung“ macht. Die Staatswerdung Europas ist es jedenfalls nicht, denn eine solche ist mit dem Verfassungsvertrag nicht beabsichtigt. Neu ist allerdings die äußere Form des Primärrechts: Erstmals präsentiert es sich mit dem Verfassungsvertrag als geschlossener Normtext[48], nicht mehr als Ansammlung von verschiedenen Verträgen. Neu ist außerdem die Aufnahme von Grundrechten in Form eines geschriebenen Grundrechtskatalogs; die Grundrechtecharta in ihrer bisherigen Form[49] stellt ja bekanntlich nur eine rechtlich unverbindliche „Feierliche Erklärung“ dar. Diese Neuerungen geben dem Verfassungsvertrag allerdings keine neue Qualität, die zwingend nach einer neuen Bezeichnung verlangen würde. Die ausdrückliche Verwendung der Bezeichnung „Verfassung“ im Verfassungsvertrag ist daher der Sache nach eher eine Klarstellung, dass es sich beim Primärrecht – dem bisherigen wie dem durch den Verfassungsvertrag zu schaffenden – um Verfassungsrecht im Sinne des offenen Verfassungsbegriffs handelt.

Der Verfassungsvertrag stellt also inhaltlich eine Verfassung im Sinne des offenen Verfassungsbegriffs dar. Als rechtliche Grundordnung ist er die rechtliche Grundlage und die Legitimationsgrundlage für die Einrichtung und das Verfahren der Organe der EU einschließlich der Setzung von Sekundärrecht. Außerdem regelt er – vor allem in Gestalt der Grundrechtecharta – das grundlegende Verhältnis der EU zu den Unionsbürgern. Diese herausgehobene Funktion als Rechts- und Legitimationsgrund für die Ausübung von Hoheitsgewalt durch die EU spricht dafür, dem Verfassungsvertrag eine besondere demokratische Legitimation zu geben.[50]

2. Mögliche Verfassunggebungsverfahren

Damit stellt sich die Frage, mit Hilfe welcher Verfahrensgestaltungen diese besondere demokratische Legitimation erzielt werden kann. Ein Blick auf die Verfahren, in denen reale Staatsverfassungen zustande gekommen sind, lehrt, dass eine Vielfalt unterschiedlicher Verfahrensvarianten Verfassungen hervorgebracht hat, denen ein hohes Maß an Legitimität beigemessen wird.[51] Viele dieser Verfassunggebungsverfahren sahen kein Referendum vor. Naheliegendes Beispiel ist das Grundgesetz: Es wurde vom Parlamentarischen Rat beschlossen und anschließend von den Landesparlamenten bestätigt; ein Referendum fand nicht statt. Dieser „Geburtsmakel“ des Grundgesetzes wird zwar immer wieder thematisiert;[52] dennoch wird daraus kaum ernsthaft gefolgert, dass es dem Grundgesetz an Legitimität mangele. Ähnliches gilt für einen der Prototypen der auf einen Verfassunggebungsakt zurückgeführten Verfassungen, nämlich die französische Revolutionsverfassung von 1791 einschließlich der schon 1789 beschlossenen „Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers“: Ein Plebiszit über diese Verfassung fand nicht statt; sie wurde allein von den Repräsentanten des Dritten Standes beschlossen.

Das Fehlen eines Referendums bei Verfassunggebungsverfahren lässt sich aber nicht allein als ein Zugeständnis an politische Umstände oder die praktischen Schwierigkeiten von Verfassunggebungen erklären, wie dies in Deutschland 1949 oder in Frankreich 1789/91 naheliegt. Vielmehr lassen schon theoretische Überlegungen an der vorgeblichen generellen legitimatorischen Überlegenheit des Referendums bei Verfassunggebungen zweifeln. Den einheitlichen, homogenen Volkswillen, der sich durch ein Referendum artikuliert, gibt es nicht.[53] Ein Referendum ist eine Mehrheitsentscheidung, bei der die Minderheitsmeinung meist nicht einmal, wie im repräsentativen Verfahren, im Wege von Verhandlungen und Debatten in Kompromisslösungen einfließen kann, sondern einfach unberücksichtigt bleibt. Schon aus technischen Gründen können allenfalls einige Alternativen zur Wahl gestellt werden; in vielen Fällen erschöpft sich die Einflussmöglichkeit der Abstimmenden in der Zustimmung oder Ablehnung eines einzigen fertig ausgearbeiteten Entwurfes. Weitere Alternativen oder Kompromisslösungen, die vielleicht noch größere Zustimmung finden würden, sind damit von vornherein ausgeschlossen.[54] Die demokratische Qualität eines Plebiszits hängt entscheidend auch davon ab, wie der zur Abstimmung gestellte Entwurf zustande gekommen ist. Eine von einem gewählten Repräsentativorgan erarbeitete und beschlossene und ohne Referendum in Kraft gesetzte Verfassung erscheint unter diesem Gesichtspunkt etwa gegenüber einer von außen (etwa von einer Kolonialmacht) vorgegebenen, aber in einem Plebiszit bestätigten Verfassung als vorzugswürdig. Ein Plebiszit ist daher keinesfalls notwendige und hinreichende Bedingung legitimer Verfassunggebung – weder für Staatsverfassungen noch für den Verfassungsvertrag.

II. Die legitimitätssteigernde Wirkung eines Referendums

Ist also ein Referendum auch bei Qualifizierung des Verfassungsvertrages als Verfassung im Sinne des offenen Verfassungsbegriffs keine notwendige Legitimitätsvoraussetzung, so wäre es doch geeignet, die Legitimität des Verfassungsvertrages zu steigern.

Durch ein zustimmendes Referendum wird nämlich sichergestellt und dokumentiert, dass die Betroffenen (im Falle des Zustimmungsgesetzes zum Verfassungsvertrag also die deutschen Unionsbürger) mit dem vom Konvent erarbeiteten und von der Regierungskonferenz nochmals veränderten und schließlich beschlossenen Entwurf auch tatsächlich einverstanden sind. Die rein parlamentarische Ratifikation hat diesbezüglich eine geringere Aussagekraft. Ein wesentlicher Vorteil repräsentativer gegenüber plebiszitären Verfahren kommt nämlich bei der parlamentarischen Ratifikation des Verfassungsvertrages nicht zum Tragen: Das Parlament hat hier keine inhaltliche Gestaltungsmöglichkeit; es hat nicht die Möglichkeit, in der Debatte die bestmöglichen Regelungen zu finden. Es wird lediglich vor die Entscheidung gestellt, dem völkerrechtlichen Verfassungsvertrag zuzustimmen oder ihn abzulehnen. Ihm wird also die gleiche Frage gestellt wie den Bürgern in einem Referendum, und eigentlich liegt es näher, dass die Bürger diese Frage selbst beantworten.

Unter diesem Gesichtspunkt ist also ein deutsches Referendum über den Verfassungsvertrag wünschenswert.

III. Der Wunsch nach einem (scheiternden) Referendum zum Zwecke der Delegitimation

Die Notwendigkeit eines Referendums über den Verfassungsvertrag wurde und wird in Deutschland (und in anderen Mitgliedstaaten der EU) häufig und vehement auch von Gegnern des Verfassungsvertrages bzw. der Europäischen Integration betont.[55] Dahinter steht weniger die Absicht, der Europäischen Verfassung eine höhere Legitimität zu verschaffen, als vielmehr die Hoffnung, dass ein solches Referendum scheitern und dadurch der Verfassungsvertrag verhindert werden könnte. Teilt man diese politische Einstellung, dann mag ein Referendum tatsächlich auch für Gegner des Verfassungsvertrages als wünschenswert erscheinen.

Die Betonung der Notwendigkeit eines Referendums kann auch als Argument zur Stützung der These dienen, die Ratifikation des Verfassungsvertrages sei in Deutschland, wo ein Referendum ja nicht stattfindet, verfassungswidrig – so auch in der Begründung der Gauweiler-Klageanträge gegen den Verfassungsvertrag.[56] Dass ein Referendum in Deutschland verfassungsrechtlich nicht notwendig ist, wurde aber bereits oben dargelegt.

IV. Der Wunsch nach einem Referendum zum Zwecke der Bedeutungserhöhung

Wenn Befürworter der Europäischen Integration und des Verfassungsvertrages aus Politik und Wissenschaft sich für ein Referendum aussprechen, dann häufig auch in der Absicht, dadurch die Bedeutung der EU bzw. des Primärrechts im Bewusstsein der Unionsbürger zu steigern. Die unmittelbare Beteiligung der Unionsbürger soll diese zur Beschäftigung mit der Union animieren und ihnen den hohen Stellenwert der EU und des Primärrechts vor Augen führen. Analogien zum Staat und zur Staatsverfassung werden dabei mitunter nicht nur in Kauf genommen, sondern erscheinen als gewünscht. Oft wird dabei als fast selbstverständlich angenommen, dass das Ergebnis des Referendums die Zustimmung zum Verfassungsvertrag sein werde. Eine solche Zustimmung würde, so die Hoffnung, dann auch die Identifikation der Unionsbürger mit der EU und ihrer Verfassung manifestieren – fast vergleichbar zur Identifikation der Bürger mit dem Staat, dem sie angehören, und seiner Verfassung.

V. Schlussfolgerung

Es mag dieses letztere Motiv der Bedeutungssteigerung gewesen sein, das letztlich die maßgeblichen politischen Kräfte in der EU dazu bewog, dem Primärrecht nun auch in einer ausdrücklichen Normierung das Verfassungsattribut beizugeben. Im Verständnis des durchschnittlich informierten Unionsbürgers hat dieser Schritt weitreichende Folgen: In den Äußerungen der politischen Akteure und in den Medien erscheint der Verfassungsvertrag als qualitativer Sprung, der nur durch den Wortbestandteil „-vertrag“ etwas abgemildert wird. Der Abschluss des Verfassungsvertrages scheint eine Metamorphose der EU zu einem neuen, staatsähnlichen Gebilde zu bewirken: Jetzt soll die EU nun eine Verfassung bekommen, fast wie ein Staat.

Allerdings entspricht das nicht dem normativen Befund. Wie gesehen, bewirkt der Verfassungsvertrag keine grundlegende Veränderung der Qualität der Kompetenzverteilung; die EU wird nicht souverän. In mancher Hinsicht wird die Stellung der Mitgliedstaaten sogar gestärkt, z.B. durch das neue Austrittsrecht. Die immer wieder bemühte Verfassungsrhetorik geht also an der Sache vorbei, soweit sie eine wesentliche Qualitätsänderung suggeriert.

Besser wäre es daher gewesen, deutlich zu machen, dass schon die bisherigen Verträge die „Verfassung“ der EU darstellen, und dass der Verfassungsvertrag in diesem Sinne bloß eine Verfassungsänderung bewirkt. Die Verwendung des Begriffs „Verfassung“ im neuen Vertrag hätte als bloße Klarstellung vermittelt werden können. Das hätte Erwartungen und vor allem auch Befürchtungen auf ein realistisches Niveau senken können und vielleicht sogar ein anderes Abstimmungsergebnis in Frankreich und den Niederlanden zur Folge gehabt.

Auch bei einer solchen Vorgehensweise wäre ein Referendum wünschenswert gewesen – allerdings weder zur bloßen Bedeutungserhöhung noch zur Delegitimation, sondern zur Steigerung der Legitimität des Primärrechts.

D. Die verfassungsrechtliche Möglichkeit eines Referendums nach dem Grundgesetz

Nach der Notwendigkeit bzw. Wünschbarkeit eines Referendums über den Verfassungsvertrag ist nun die verfassungsrechtliche Möglichkeit eines solchen Referendums in Deutschland zu untersuchen. Zwei unterschiedliche Vorgehensweisen sind hier denkbar: Zum einen könnte durch eine Verfassungsänderung im Grundgesetz eine ausdrückliche Regelung über die Möglichkeit (oder auch Erforderlichkeit) eines Referendums geschaffen und dann das Referendum auf dieser neuen verfassungsrechtlichen Grundlage durchgeführt werden; zum anderen könnte das Referendum ohne vorherige Grundgesetzänderung erfolgen. Beide Varianten sind auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit zu prüfen.

I. Referendum nach Verfassungsänderung

Ein Volksabstimmungsverfahren könnte – generell oder beschränkt auf den Einzelfall der Zustimmung zum Verfassungsvertrag oder ähnliche Fälle – durch Änderung des Grundgesetzes ausdrücklich eingeführt werden. Ob dies zulässig ist, bestimmt sich nach Art. 79 III GG.

Zu den in dieser Vorschrift genannten Grenzen der Verfassungsänderung, soweit sie hier einschlägig sind, zählen zunächst die Grundsätze des Rechtsstaatsprinzips, die nicht verletzt werden dürfen (Art. 79 III i.V.m. Art. 20 II 2, III GG), insbesondere die Gewaltenteilung, die parlamentarische Repräsentation und die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Gesetzgebung. Zumindest bei der generellen Einführung von Referenden ist es denkbar, dass diese Grundsätze verletzt werden könnten.[57] Allerdings lässt sich das nicht pauschal feststellen. Vielmehr kommt es auf die konkrete Ausgestaltung der Referendumsregelungen an: Solange der Vorrang parlamentarischer Repräsentation und die verfassungsgerichtliche Kontrolle erhalten bleiben, ist ein Verstoß gegen die Grundsätze des Rechtsstaatsprinzips nicht zu befürchten.[58]

Auch die Grundsätze des Demokratieprinzips (Art. 79 III i.V.m. Art. 20 I, II GG) sind vor einer Verfassungsänderung geschützt. Diese „Grundsätze“ sind allerdings nicht identisch mit der konkreten Ausgestaltung des Demokratieprinzips im Grundgesetz. Dass die Einführung von Volksabstimmungen mit den Grundsätzen des Demokratieprinzips grundsätzlich vereinbar ist, zeigt schon die Erwähnung der „Abstimmungen“ in Art. 20 II 2 GG, auf den Art. 79 III GG verweist. Die Grundsätze des Demokratieprinzips würden also einer Grundgesetzänderung nicht entgegenstehen.

Schließlich darf bei einer Verfassungsänderung auch die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung des Bundes nicht verletzt werden. Diese grundsätzliche Mitwirkung wäre etwa dann gefährdet, wenn obligatorische Volksabstimmungsverfahren für wesentliche Teile der Gesetzgebung eingeführt würden und dabei die Mitwirkung des Bundesrates nicht gewährleistet wäre. Das lässt sich durch eine entsprechende Ausgestaltung der Regelungen vermeiden.

Unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze können also Volksabstimmungen ohne Verletzung des Art. 79 III GG in das Grundgesetz eingeführt werden. Die wenigsten Probleme bereitet dabei die nur punktuelle Einführung von Referenden, etwa nur für den Fall der Zustimmung zum Verfassungsvertrag oder auch zu sonstigen weitgreifenden Änderungen der europäischen Verträge. Aber auch die Eröffnung der generellen Möglichkeit von Referenden z.B. für Grundgesetzänderungen oder auch im Rahmen der einfachen Gesetzgebung verstößt bei sorgfältiger Normierung der Voraussetzungen und des Verfahrens nicht gegen Art. 79 III GG.

Auf der Grundlage einer entsprechenden neuen Regelung im Grundgesetz könnte dann ein Referendum über den Verfassungsvertrag durchgeführt werden.

II. Referendum ohne Verfassungsänderung

Nachdem sich die Regierungskoalition im Vorfeld der Ratifizierung des Verfassungsvertrages nicht mit der Opposition auf eine Verfassungsänderung zur Einführung von Referenden einigen konnte,[59] ist eine solche Grundgesetzänderung mangels der erforderlichen Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat gegenwärtig unwahrscheinlich. Daher stellt sich die Frage, ob ein Referendum über den Verfassungsvertrag auch ohne eine solche Grundgesetzänderung zulässig wäre.

Kürzlich hat M. Elicker für die Möglichkeit eines Referendums über den Verfassungsvertrag (und auch über andere Gegenstände) schon nach den gegenwärtigen Regelungen des Grundgesetzes plädiert.[60] Im Folgenden sollen anhand seiner Überlegungen die Argumente für und wider diese Möglichkeit erörtert werden.[61] Die Argumentation findet auf zwei Ebenen statt: der demokratie- bzw. verfassungstheoretischen und der verfassungsrechtlichen Ebene.

1. Die demokratie- bzw. verfassungstheoretische Argumentation

Zu einem wesentlichen Teil argumentiert Elicker auf einer allgemeinen, von ihm „demokratietheoretisch“ genannten[62] Ebene. Für die „demokratische Staatslehre“ sei es „eine Selbstverständlichkeit, dass das Volk stets die verfassunggebende Gewalt innehat“[63]. Das Volk „als Staatsorgan“ sei identisch mit dem pouvoir constituant. Nach Elickers Ansicht steht es daher gewissermaßen über dem Grundgesetz und kann jederzeit vom Grundgesetz, auch von „einzelnen Verfassungsinhalten“, abweichen; das Grundgesetz könne dem Volk keine Grenze setzen, nicht einmal in Art. 79 III GG. Diese Aussagen mögen auf den ersten Blick einleuchten; bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass sie problematisch sind.

Es ist richtig, dass eine Verfassung nur dann Legitimität beanspruchen kann, wenn sie inhaltlich weitgehend mit dem Willen des Volkes übereinstimmt; das weitere Problem, dass es ein einheitliches, willensbegabtes Subjekt „Volk“ ja eigentlich nicht gibt, das Volk vielmehr aus sehr vielen Individuen mit durchaus unterschiedlichen Präferenzen besteht, ist hier nicht zu vertiefen.[64] Und es ist auch richtig, dass faktisch nie ausgeschlossen werden kann, dass ein Volk sich eine neue Verfassung gibt; jede Verfassung steht unter dem faktischen Vorbehalt einer erneuten Verfassunggebung.

Allerdings heißt das nicht, dass der Wille des Volkes jederzeit und unabhängig vom jeweiligen Kontext über der Verfassung stehen würde. Im Gegensatz zur Ansicht Elickers muss sehr wohl unterschieden werden zwischen dem Volk als Verfassunggeber und dem verfassten Volk in seiner Funktion als Gesetzgeber, als „Staatsorgan“. Als Gesetzgeber ist das Volk ebenso an das Grundgesetz gebunden wie die Repräsentativorgane Bundestag und Bundesrat. Erst wenn es als Verfassunggeber tätig wird, ist es – selbstverständlich – nicht mehr an das Grundgesetz gebunden.

Warum ist diese Unterscheidung zwischen dem Volk als Verfassunggeber und dem verfassten Volk als Gesetzgeber notwendig? Zur Erklärung dieser Notwendigkeit mag zunächst der Hinweis auf ein altes Problem vor allem der Weimarer Staatsrechtslehre hilfreich sein, nämlich die Verfassungsdurchbrechung.[65] Gewissermaßen eine Ebene tiefer als die Verfassunggebung, nämlich in Bezug auf das Verhältnis zwischen Gesetzgeber und verfassungsänderndem Gesetzgeber, wurde dort über die Notwendigkeit gestritten, zwischen den beiden Organen trotz personeller Identität zu unterscheiden. Eine Verfassungsdurchbrechung ist, kurz gesagt, das Abweichen von der Verfassung durch den Gesetzgeber in einem einzelnen Fall, also ohne Änderung der generellen Regelung der Verfassung. Eine solche Verfassungsdurchbrechung wurde von einer Ansicht dann für zulässig gehalten, wenn der Gesetzgeber mit einer Mehrheit, mit der er auch eine Verfassungsänderung hätte beschließen können, ein Gesetz beschließt, das gegen die Verfassung verstößt. Das Argument ist dabei im Wesentlichen, dass der Gesetzgeber ja auch vor dem Gesetzesbeschluss eine Verfassungsänderung hätte beschließen und so für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes hätte sorgen können. Der Gesetzgeber kann nach dieser Ansicht in solchen Fällen auf die ausdrückliche Verfassungsänderung verzichten und sich – gleichsam als Minus – auf die Abweichung im Einzelfall beschränken. Die Gegenansicht verlangte dagegen eine generelle Verfassungsänderung und hielt die Abweichung im Einzelfall für unzulässig. Aus heutiger Sicht hat sich die Gegenansicht durchgesetzt. Zu Recht: Nur bei einer ausdrücklichen Verfassungsänderung kann nämlich die Klarheit und Bestimmtheit der Verfassungsregel und ihre Bindungskraft vor allem gegenüber dem Gesetzgeber erhalten werden. Hält man die Verfassungsdurchbrechung für zulässig, dann steht die Verfassung unter dem Vorbehalt, dass sie für den Gesetzgeber keine Geltung hat, wenn dieser nur mit ausreichender Mehrheit beschließt. Ein solcher Vorbehalt kann zumindest dem heutigen Grundgesetz nicht entnommen werden: Seine Normen beanspruchen in jedem Fall Geltung auch für den Gesetzgeber, solange sie nicht in ihrem Wortlaut geändert werden. Das wird durch das Textänderungsgebot des Art. 79 I GG unterstrichen und gilt unabhängig von den Abstimmungsmehrheiten in Bundestag und Bundesrat.

Ebenso verhält es sich mit dem Volk als Verfassung- und Gesetzgeber des Grundgesetzes. Das Grundgesetz steht nicht unter dem Vorbehalt, dass seine Normen dann nicht gelten, wenn „das Volk“ etwas beschließt; vielmehr beanspruchen die Normen des Grundgesetzes uneingeschränkt Geltung, solange sie nicht selbst ausdrücklich geändert werden. Wäre es nicht so, würde das Grundgesetz erheblich an Klarheit und Bindungskraft einbüßen.[66]

Warum diese Klarheit und Bindungskraft notwendig ist, erschließt sich, wenn die Funktion einer Verfassung in den Blick genommen wird. Würde sich diese Funktion auf die eines bloßen Organisationsstatuts beschränken, mit dem aus Gründen praktischer Notwendigkeit die Einrichtung und das Verfahren von Staatsorganen geregelt wird, dann wäre es folgerichtig, den Willen des Volkes uneingeschränkt über die Verfassungsnormen zu stellen. Das Volk als Urheber einer solchen Regelung kann dieselbe in dieser Sichtweise nämlich jederzeit und in jedem Umfang aus Gründen praktischer Notwendigkeit, also letztlich zu beliebigen Zwecken ändern. Mit einer solchen Betrachtungsweise wird aber der Sinn einer Verfassung bei weitem nicht erschöpft.

Seit im Zuge der Revolutionen in Nordamerika und Frankreich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die ersten modernen Verfassungen entstanden sind, wird der wesentliche Zweck einer Verfassung vor allem in der Verwirklichung dreier Legitimitätsprinzipien gesehen:[67] Die Verfassung soll erstens Rechte der Individuen gegenüber allen Staatsorganen, auch gegenüber dem Gesetzgeber, sichern (dies ist das oben[68] schon angesprochene Prinzip der Freiheitssicherung); sie soll zweitens den Willen des Volkes normativ verwirklichen (Prinzip der kollektiven Autonomie); und sie soll drittens eine dauerhaft konsensfähige Ordnung errichten (Prinzip der dauerhaften Konsensfähigkeit). Stünde die Verfassung jederzeit unter dem Vorbehalt beliebiger Volksbeschlüsse, dann würde ganz vorwiegend das zweite der genannten Prinzipien verwirklicht; das erste und das dritte würden vernachlässigt. Das käme aber einer Preisgabe der Verfassungsstaatlichkeit gleich; es widerspräche der mit den Revolutionen in Nordamerika und Frankreich begonnenen Tradition moderner Verfassungen schlechthin wie auch dem Selbstverständnis des Grundgesetzes, bei dem der Grundrechtsschutz nicht nur am Anfang, sondern auch im Vordergrund steht und das mit Art. 79 III seinen eigenen Fortbestand im Kern besonders schützt. Die Verfassung, insbesondere das Grundgesetz, will die Rechte der Individuen schützen – gegen den parlamentarischen wie gegen den plebiszitären Gesetzgeber. Das gilt insbesondere dann, wenn diese Individuen eine Minderheit darstellen, die im (parlamentarischen oder plebiszitären) Gesetzgebungsverfahren von der Mehrheit überstimmt werden kann: Grundrechtsschutz ist auch Minderheitenschutz. Eine moderne Verfassung stellt den Ausgleich, die Balance, zwischen Individualrechten und dem (auch durch das Parlament repräsentierten) Volkswillen her. Unter einer modernen Verfassung kann kein Gesetzgeber, auch nicht das verfasste Volk als plebiszitärer Gesetzgeber, Grundrechte beliebig abschaffen oder einschränken oder Grundstrukturen, die auf Dauer angelegt und dem Zugriff der Staatsorgane entzogen sind, abändern, ohne den Boden der Legitimität zu verlassen, auf dem diese Verfassung beruht. Eine angebliche[69] Bindung an überpositive Rechtsgrundsätze kann kein Ersatz sein für die Bindung des Volkes an die in der Verfassung normierten Grundrechte und andere grundlegende Normen: Welchen Inhalt hat solches überpositives Recht bzw. wer soll diesen Inhalt feststellen und seine Beachtung überprüfen?

Das heißt nicht, dass eine moderne Verfassung unveränderlich ist. Ein Bestandteil des Regelungswerks der meisten Verfassungen ist – im Grundgesetz ist dies bekanntlich der Fall – die Möglichkeit der Verfassungsänderung in einem bestimmten (erschwerten), in der Verfassung selbst vorgesehenen Verfahren durch ein bestimmtes Organ, den verfassungsändernden Gesetzgeber (das kann auch das verfasste Volk sein), und ggf. in bestimmten Grenzen (vgl. Art. 79 III GG). Durch dieses „Ventil“ kann eine möglicherweise entstehende Diskrepanz zwischen der geltenden Verfassung und dem Volkswillen beseitigt werden. Eine solche Verfassungsänderung ist eine reguläre, begrenzte Möglichkeit zur Anpassung der Verfassung an geänderte Verhältnisse oder den geänderten Volkswillen; sie erfolgt im Rahmen und unter Anerkennung der Bindungswirkung der Verfassung und stellt daher keine Verfassunggebung dar. Durch sie wird auch das alte Generationenproblem[70] weitgehend entschärft: Jede Generation hat die Möglichkeit, die Verfassung durch das reguläre Verfahren der Verfassungsänderung an ihre Bedürfnisse anzupassen, und wird insoweit nicht gegen ihren Willen an die Verfassung gebunden.

Was ist dann aber mit der Eigenschaft des Volkes als Verfassunggeber? Verliert es während der Geltung der von ihm selbst geschaffenen Verfassung nicht sein ureigenstes Recht, sich selbst auch jenseits der regulären Verfassungsänderung eine völlig neue Verfassung zu geben? Manche Autoren vertreten dies in der Tat. So begründet Kriele in seiner Allgemeinen Staatslehre[71] sehr ausführlich seinen Standpunkt, nach dem es in einem Verfassungsstaat keinen Souverän mehr geben darf – souverän sei allein die Verfassung, das Volk verliere mit vollendeter Verfassunggebung das Recht zur Verfassunggebung. Der Grund dafür sind nach Kriele der Schutz individueller Rechte und die Aufrechterhaltung der Gewaltenteilung durch die Verfassung, die nach Kriele nicht mit dem Vorhandensein eines Souveräns verträglich sind – auch nicht in Gestalt des Volkes als potentiellem Verfassunggeber. Murswiek vertritt sogar die Auffassung, dass die Staatsorgane des Grundgesetzes verpflichtet sind, Bestrebungen des Volkes zur Verfassunggebung notfalls mit Gewalt zu verhindern, solange das Grundgesetz noch gilt.[72]

So weit zu gehen, vernachlässigt allerdings nicht nur das zweite Legitimitätsprinzip, nämlich die kollektive Autonomie, die möglichst weitgehende Verwirklichung des Willens des Volkes. Auch ein wesentlicher Rest des Generationenproblems bliebe ungelöst: Der Bereich einer Verfassung, der einer regulären Verfassungsänderung entzogen ist (z.B. im Grundgesetz aufgrund Art. 79 III), wäre für spätere Generationen auch gegen deren eindeutigen Willen bindend. Auch während der Geltung einer Verfassung muss das Volk daher grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich eine völlig neue Verfassung zu geben, und zwar legitimerweise und ohne gewaltsamen Umsturz. Allerdings darf es mit dieser Möglichkeit nicht leichtfertig umgehen, weil sonst der erste und der dritte Verfassungszweck gefährdet sind:[73] Schon die Überzeugung, die Verfassung (durch Volksbeschluss) jederzeit beliebig ändern oder von ihr abweichen zu können, weicht den Schutz der Individualrechte (Prinzip der Freiheitssicherung) und den dauerhaften Bestand der Verfassung (Prinzip der dauerhaften Konsensfähigkeit) auf. Die Verfassunggebung muss also eine Ausnahme bleiben, ein Vorgang, der nur im äußersten Notfall und dementsprechend selten stattfindet. Findet sie statt, so muss deutlich werden, dass damit die Bindungswirkung der bisherigen Verfassung preisgegeben wird; die Verfassunggebung muss also als solche erkennbar sein und darf nicht in Gestalt eines beliebigen Gesetzesbeschlusses erfolgen, der sich allein durch das Erreichen besonderer Mehrheiten oder durch ein plebiszitäres Verfahren auszeichnet. Das schließt Akte der Verfassunggebung, die die Verfassung nur in einem begrenzten Bereich oder auch nur in einer einzigen Vorschrift umgestalten, nicht aus; auch solche begrenzten Eingriffe müssen aber in ihrer besonderen Reichweite und Bedeutung, nämlich als Preisgabe der Bindungswirkung der Verfassung und damit als Akte der Verfassunggebung erkennbar sein, die nur im Ausnahme- und Notfall zulässig sein können.

Im Verfassungsstaat, in dem die Legitimität der Ausübung von Hoheitsgewalt auf deren verfassungsrechtlicher Begründung und Einhegung beruht, darf das Volk also, soll diese Art von Legitimität erhalten bleiben, von seiner Fähigkeit als Verfassunggeber nur sehr vorsichtigen Gebrauch machen. Die Annahme, die Verfassung stünde zur beliebigen, jederzeitigen und voraussetzungslosen Disposition des Volkes, impliziert einen Verzicht auf elementare Funktionen der Verfassung und bedeutet damit die Preisgabe der Verfassungsstaatlichkeit schlechthin.

2. Die Argumentation mit geltendem Verfassungsrecht

a) Art. 20 II 2 GG

Die zweite Argumentationsebene zur Klärung der Zulässigkeit eines Referendums ist das geltende Verfassungsrecht. Zentraler Anknüpfungspunkt ist hier die Vorschrift des Art. 20 II 2 GG, die bekanntlich bezüglich der Staatsgewalt regelt: „Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Die Erwähnung von Abstimmungen in dieser Vorschrift ergebe, so ein Argument, keinen Sinn, wenn nicht schon aktuell nach dem Grundgesetz Abstimmungen zulässig sind.[74] Dieses Argument wird durch die Überlegung verstärkt, dass mit dem Begriff „Abstimmungen“ in Art. 20 II 2 GG nicht die in Art. 29, 118, 118a GG vorgesehenen Territorialplebiszite gemeint sind, bei denen nur territoriale Teile des Bundesvolkes beteiligt sind, sondern nur Abstimmungen des ganzen Bundesvolkes, für die das Grundgesetz keinen konkreten Anwendungsfall normiert.[75] Es könne nicht sein, dass eine Verfassungsvorschrift (Art. 20 II 2 GG mit der Erwähnung der Abstimmungen) zu ihrer Ausführung eine Verfassungsänderung verlange.[76] Daher seien, so die Schlussfolgerung Elickers, schon jetzt, ohne weitere Verfassungsänderung, bundesweite Plebiszite beliebigen Inhalts allein auf der Grundlage des Art. 20 II 2 GG zulässig. Nicht einmal eine einfachgesetzliche Konkretisierung sei dazu erforderlich.[77]

Entgegen der Ansicht Elickers ergibt es aber durchaus einen Sinn, wenn die Erwähnung von Abstimmungen Art. 20 II 2 GG, soweit man sie tatsächlich nur auf Plebiszite auf Bundesebene bezieht,[78] lediglich als Hinweis auf künftige, noch durch Verfassungsänderung einzuführende Möglichkeiten direkter Demokratie verstanden wird. Denn die Grundsätze des Art. 20 GG, also auch die Grundsätze des Demokratieprinzips, sind durch Art. 79 III GG besonders geschützt und müssen bei einer Verfassungsänderung beachtet werden; die Erwähnung der Abstimmungen in Art. 20 II 2 GG stellt dabei klar, dass Formen direkter Demokratie mit den Grundsätzen des Demokratieprinzips vereinbar sind und ihre Einführung demnach nicht gegen Art. 79 III GG verstoßen würde. Eine solche Auslegung steht auch nicht im Widerspruch zu den Absichten des Verfassunggebers des Grundgesetzes: Dieser schreckte zwar vor der Aufnahme direktdemokratischer Verfahren in das Grundgesetz zurück, es ist aber nicht ersichtlich, dass er auch die Möglichkeit der künftigen Einführung solcher Verfahren durch Verfassungsänderung ausschließen wollte. Die Erwähnung der „Abstimmungen“ in Art. 20 II 2 GG führt also nicht zu dem Schluss, dass Plebiszite ohne weitere verfassungsrechtliche Konkretisierung allein auf der Grundlage dieser Vorschrift zulässig sein müssten.

b) Der abschließende Charakter der Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren

Im Gegenteil: Ein gewichtiges Argument spricht gegen die Annahme, beliebige Plebiszite seien schon auf der Grundlage allein von Art. 20 II 2 GG zulässig. Wäre dies so, dann müsste nämlich insbesondere ein Gesetzesbeschluss durch reines Plebiszit, also ohne Beteiligung von Bundestag und Bundesrat möglich sein. Die Gesetzgebungsvorschriften im VII. Abschnitt des Grundgesetzes, also Art. 76 ff. GG, haben aber insoweit abschließenden Charakter. Das Gesetzgebungsverfahren wird in diesen Vorschriften sehr detailliert geregelt; es handelt sich dabei um ein repräsentatives Verfahren ohne plebiszitäre Elemente. Ein Gesetzesbeschluss durch reines Plebiszit, der ganz an die Stelle des in Art. 76 ff. GG geregelten Verfahrens treten würde, würde nicht nur im offenkundigen Widerspruch zu Art. 77 I 1 GG stehen („Die Bundesgesetze werden vom Bundestage beschlossen“), sondern die fein austarierten Mechanismen des VII. Abschnitts insgesamt aus den Angeln heben; v.a. wären der Bundesrat und mit ihm die Länder von der Gesetzgebung in einem solchen Verfahren völlig ausgeschlossen. Sollte so etwas nach dem Grundgesetz zulässig sein, so würde man eine entsprechende Regelung im VII. Abschnitt erwarten. Das Schweigen des Grundgesetzes zur rein plebiszitären Gesetzgebung kann daher nicht anders gedeutet werden denn als ein „Verbot“ solcher Verfahren, soweit sie ohne vorhergehende Verfassungsänderung durchgeführt werden sollen.

Elicker ist hier anderer Ansicht: Er meint, dass die Gesetzgebungsvorschriften des Grundgesetzes nicht abschließend seien; Gesetze können nach seiner Meinung auch ohne vorherige Änderung des Grundgesetzes unmittelbar durch eine – wie immer geartete – Willensäußerung des Volkes zustande kommen.[79] Er begründet dies damit, dass durch die konkreten Regelungen des Grundgesetzes über die repräsentative Gesetzgebung den „einzelnen Instanzen der Repräsentation und dem Verfahren repräsentativer Ausübung von Staatsgewalt ... demokratische Legitimation erst eingehaucht werden (musste)“, während die „Zuständigkeiten des Volkes“ verfassungsrechtlich nicht enumeriert werden müssten und dies auch nicht möglich sei. Richtig daran ist, dass die Repräsentativorgane des Grundgesetzes im Gegensatz zu dem natürlicherweise vorhandenen bzw. sich mit dem Akt der Verfassunggebung konstituierenden Volk erst normativ geschaffen wurden; sie verdanken ihre Existenz tatsächlich den jeweiligen sie betreffenden Verfassungsvorschriften, z.B. denjenigen im III. Abschnitt des Grundgesetzes (Art. 38 ff. GG) über den Bundestag. Daraus lässt sich aber allenfalls schließen, dass das Grundgesetz neben den Abschnitten über Bundestag, Bundesrat, den Bundespräsidenten und die Bundesregierung keinen weiteren Abschnitt über das Staatsvolk als Staatsorgan braucht. Unzulässig ist dagegen der Schluss, dass auch der Abschnitt VII des Grundgesetzes über die Gesetzgebung keiner Ergänzung bedürfte, wollte man Gesetzesplebiszite an Stelle des dort geregelten repräsentativen Verfahrens durchführen. Denn die detaillierten Verfahrensvorschriften des VII. Abschnitts sind nicht lediglich Ergänzungen der vorherigen Abschnitte über die einzelnen Bundesorgane, sondern regeln deren komplexes Zusammenwirken bei der Gesetzgebung. Damit sollen verschiedene Ziele erreicht werden: v.a. die Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes durch die Beteiligung des Bundesrates, aber auch die Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. die zahlreichen Fristenregelungen in diesem Abschnitt), die Einbeziehung des Sachverstands der Ministerialverwaltungen des Bundes und der Länder durch die Initiativrechte der Bundesregierung und des Bundesrates oder die Publizität der Gesetze durch die Pflicht zur Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Soll das Volk als Gesetzgeber tätig werden, so bedarf dies der verfassungsrechtlichen Konkretisierung – nicht, um dem Volk demokratische Legitimation einzuhauchen, sondern um seine Mitwirkung bei der Gesetzgebung so auszugestalten, dass die Ziele des VII. Abschnitts weiterhin verwirklicht werden können.

c) Die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes

Die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes spricht bezüglich der Zulässigkeit von Plebisziten eine klare Sprache: Der Parlamentarische Rat hat die Aufnahme direktdemokratischer Gesetzgebungsverfahren in das Grundgesetz ausdrücklich abgelehnt.[80] Elicker versucht diesen Befund zu relativieren, indem er behauptet, die Mitglieder des Parlamentarischen Rates seien sich „durchaus bewusst (gewesen), dass ein sich Bahn brechender Volkeswille für den Staat des Grundgesetzes gleichwohl Verbindlichkeit hat“. Davon kann aber keine Rede sein. Der Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Schmid, den Elicker hier zitiert,[81] erläutert die von ihm vorgeschlagene Formulierung „Die Staatsgewalt geht vom Volke aus“ vielmehr in dem Sinne, dass sie eine Abgrenzung gegenüber den Anschauungen darstelle, nach denen die Staatsgewalt aus anderen Quellen stammt, nämlich z.B. aus Privilegien, dem Erbrecht in der Monarchie, der Tradition oder dem göttlichen Willen. Von der Möglichkeit einer Verfassungsdurchbrechung durch den Volkeswillen wird hier nicht einmal ansatzweise gesprochen. Ein Vorrang des Volkeswillens gegenüber der Verfassung wird zwar an anderer Stelle, nämlich im Zusammenhang mit Art. 146 GG angesprochen;[82] aber dort geht es um die Verfassunggebung, nämlich die Möglichkeit, anlässlich der Wiedervereinigung das Grundgesetz durch eine neue Verfassung abzulösen. Das ist etwas anderes als die von Elicker behauptete völlige Loslösung des Volkeswillens von der Verfassung bei Abstimmungen beliebigen Inhalts.

d) Ein Ausweg: das Plebiszit als ergänzendes Verfahrenselement

Nach dem Vorgesagten schließt das geltende Verfassungsrecht die Durchführung eines voraussetzungslosen plebiszitären Verfahrens an Stelle des im VII. Abschnitt des Grundgesetzes geregelten Gesetzgebungsverfahrens aus. Damit ist allerdings nicht notwendig zugleich die Möglichkeit ausgeschlossen, auch ohne Verfassungsänderung einzelne plebiszitäre Elemente in das Gesetzgebungsverfahren einzufügen. So ist es denkbar, dass ein im regulären Gesetzgebungsverfahren nach Art. 76 ff. GG beschlossenes Gesetz im Einzelfall sein eigenes Inkrafttreten von der aufschiebenden Bedingung eines zustimmenden Referendums abhängig macht.[83] Eine solche aufschiebende Bedingung für das Inkrafttreten stellt nur eine unwesentliche Ergänzung des Gesetzgebungsverfahrens dar und ist in anderen Konstellationen gängige und unbestrittene Praxis: So wurde etwa das Inkrafttreten des Jugendschutzgesetzes des Bundes vom Inkrafttreten des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages der Länder abhängig gemacht (§ 30 I 1 JuSchG).

Bezüglich eines Referendums über den Verfassungsvertrag wäre daher ein Verfahren denkbar, das ohne Verfassungsänderung auskommt: Das Inkrafttreten des zunächst im regulären Gesetzgebungsverfahren unter Beachtung der nach Art. 23 GG erforderlichen Besonderheiten (v.a. der nach Art. 23 I 3 i.V.m. Art. 79 II GG notwendigen Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat) verabschiedeten Zustimmungsgesetzes wird vom positiven Ergebnis einer Volksabstimmung abhängig gemacht. Nach dem gegenwärtigen Stand des Ratifikationsverfahrens (Juni 2005) ist das allerdings nicht vorgesehen; das Zustimmungsgesetz wurde bereits ohne eine entsprechende Klausel beschlossen.

E. Schluss

Die auch im Parlamentarischen Rat vorherrschenden Bedenken gegen die Einführung von Volksabstimmungen sind heute nach weit verbreiteter Ansicht überholt. Es spricht viel dafür, Volksabstimmungen als fakultativen oder obligatorischen Bestandteil des Gesetzgebungsverfahrens zumindest für bestimmte Fälle in das Grundgesetz aufzunehmen. Auch eine Abstimmung über die EU-Verfassung könnte hier ihre verfassungsrechtliche Grundlage finden.

Solange das nicht der Fall ist, bleibt, sofern dies gewünscht ist und ein neues Ratifizierungsverfahren durchgeführt wird, nur der oben unter D.II.2.d) beschriebene Weg zu einem Referendum über die EU-Verfassung. Erforderlich ist ein solches Referendum nach dem Grundgesetz zwar nicht, aber zur Legitimitätssteigerung wäre es – wie auch schon bei den bisherigen Gründungs- und Änderungsverträgen der EG bzw. EU – wünschenswert.

Jedenfalls ist zu hoffen, dass der Verfassungsvertrag trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten in Kraft treten kann. Er stellt inhaltlich eine deutliche Verbesserung gegenüber dem gegenwärtigen Rechtszustand dar, nicht zuletzt wegen der Inkraftsetzung der Grundrechtecharta. Der Vertrag ist dagegen keine „neue Verfassung“, und sein Abschluss ist auch kein erster Schritt zur Gründung eines Europäischen Bundesstaates. Es wäre zu wünschen, dass Politiker, Medien und letztlich auch die Bürger zu dieser nüchternen Betrachtung und damit zu einer Diskussion des eigentlichen Vertragsinhalts kommen.



[1]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Mit Blick auf die anstehende Ratifikation der EU-Verfassung hatte die Regierungskoalition beabsichtigt, durch eine Änderung des Grundgesetzes allgemein die Möglichkeit von Volksabstimmungen zu schaffen. Die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen, Müntefering (SPD) und Sager (Bündnis 90/Grüne), hatten einen entsprechenden Vorschlag an die Oppositionsfraktionen übersandt. Eine Einigung kam jedoch nicht zustande. Vgl. dazu Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.10.2004.

[2]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; BT-Drs. 15/4900.

[3]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; BT-Plenarprotokoll 15/175 v. 12.5.2005, S. 16383D; BR-Plenarprotokoll 811 v. 27.05.2005, S. 201B.

[4]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Die Begriffe „Referendum“, „Volksabstimmung“ und „Plebiszit“ werden in diesem Beitrag gleichbedeutend verwendet; gemeint ist eine Sachentscheidung der Aktivbürgerschaft. Beim Referendum über den Verfassungsvertrag ist der Gegenstand dieser Sachentscheidung das nationale Zustimmungsgesetz.

[5]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. Pressemitteilung des Bundespräsidialamtes vom 16.6.2005

[6]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Die Antragsschrift ist im Internet verfügbar unter der Adresse http://www.peter-gauweiler.de/pdf/themen/EU-Verf-Klage-27-5.pdf (überprüft am 21.6.2005).

[7]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. BT-Drs. 15/4900, S. 1.

[8]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Dazu näher T. Herbst, Legitimation durch Verfassunggebung. Ein Prinzipienmodell der Legitimität staatlicher und supranationaler Hoheitsgewalt, 2003, S. 133.

[9]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Dazu H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 2000, Art. 146 Rn. 52 m.w.N.

[10]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; So auch A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 146 Rn. 16 ff. m.w.N. A.A. H. Moelle, Der Verfassungsbeschluß nach Art. 146 GG, 1996, S. 196 f.

[11]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Die EU ist – im Gegensatz zu den eine ihrer „Säulen“ bildenden Gemeinschaften (Europäische Gemeinschaft und Euratom) – bisher mangels eigener Rechtspersönlichkeit nicht selbst Träger von Hoheitsgewalt; vgl. dazu näher T. Herbst, Legitimation durch Verfassunggebung, S. 197 f. Das würde sich mit dem Inkrafttreten des Verfassungsvertrages ändern, weil die EU gem. Art. I-7 VVE Rechtspersönlichkeit erlangen soll.

[12]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; U. Penski, Bestand nationaler Staatlichkeit als Bestandteil der Änderungsgrenzen in Art. 79 III GG, in: ZRP 1994, 192; U. Fink, Garantiert das Grundgesetz die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland?, in: DÖV 1998, 133.

[13]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Dazu näher T. Herbst, Legitimation durch Verfassunggebung, S. 265 ff.

[14]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Ausführlicher dazu und zum Folgenden T. Herbst, Legitimation durch Verfassunggebung, S. 104 ff., 127 ff., 275 ff.

[15]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Neben der Freiheitssicherung sind weitere Grundgedanken moderner Verfassungsstaatlichkeit die Verwirklichung der kollektiven Autonomie und die dauerhafte Konsensfähigkeit. Vgl. dazu unten D.II.1.

[16]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. T. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rn. 513 ff.

[17]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Diese Grundsätze waren schon bisher Bestandteil des Primärrechts: Art. 5 II, III EGV (Art. 3b II, III EGV a.F.).

[18]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; BVerfGE 89, 155, 194 ff.

[19]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Bezüglich bloßer Förderzuständigkeiten ist allerdings unklar, ob Art. I-18 VVE Anwendung findet; vgl. dazu A. Puttler, Sind die Mitgliedstaaten noch „Herren“ der EU? – Stellung und Einfluss der Mitgliedstaaten nach dem Entwurf des Verfassungsvertrages der Regierungskonferenz, in: EuR 2004, 669 (687).

[20]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Dazu T. Oppermann, Europarecht, Rn. 523 ff.

[21]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; EuGHE 1996, I-1759; vgl. dazu U. Häde/A. Puttler, Zur Abgrenzung des Art. 235 EGV von der Vertragsänderung, in: EuZW 1997, 13.

[22]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; ABl. der EU C 310 v. 16.12.2004, S. 207 ff.

[23]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. zum neuen „Frühwarnsystem“ J. Bergmann, Staatswerdung durch Konstitutionalisierung? – Zur neuen EU-Verfassung, in: VBlBW 2005, 121 (125).

[24]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Skeptisch bezüglich Art. I-18 VVE A. Puttler, Sind die Mitgliedstaaten noch „Herren“ der EU? – Stellung und Einfluss der Mitgliedstaaten nach dem Entwurf des Verfassungsvertrages der Regierungskonferenz, in: EuR 2004, 669 (686 ff.): Es müsse sich erst in der Praxis zeigen, ob die Bindung an Politikbereiche statt an anderweitig eingeräumte Kompetenzen ausreiche, um eine „faktische Kompetenz-Kompetenz“ der Union zu verhindern. Ähnlich J. Bergmann, Staatswerdung durch Konstitutionalisierung? – Zur neuen EU-Verfassung, in: VBlBW 2005, 121 (127); Bergmann spricht von einer „Teil-Kompetenzkompetenz“ aufgrund des Art. I-18 VVE. Vgl. dazu auch A. Weber, Zur föderalen Struktur der Europäischen Union im Entwurf des Europäischen Verfassungsvertrags, in: EuR 2004, 841 (849).

[25]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Zu dieser Handlungsform vgl. Art. I-33 Abs. 1 UAbs. 5 VVE.

[26]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. dazu A. Puttler, Sind die Mitgliedstaaten noch „Herren“ der EU? – Stellung und Einfluss der Mitgliedstaaten nach dem Entwurf des Verfassungsvertrages der Regierungskonferenz, in: EuR 2004, 669 (680 ff.).

[27]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; So auch ausdrücklich die Erklärung der Regierungskonferenz vom 29.10.2004 zu Art. I-6 VVE; vgl. BT-Drs. 15/4900, S. 189. A. Puttler sieht in Art. I-6 VVE keine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage: A. Puttler, Sind die Mitgliedstaaten noch „Herren“ der EU? – Stellung und Einfluss der Mitgliedstaaten nach dem Entwurf des Verfassungsvertrages der Regierungskonferenz, in: EuR 2004, 669 (683 ff.). Zurückhaltend gegenüber der Bedeutung von Art. I-6 VVE auch A. Weber, Zur föderalen Struktur der Europäischen Union im Entwurf des Europäischen Verfassungsvertrags, in: EuR 2004, 841 (845 ff.).

[28]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; A. Puttler kommt zu dem Ergebnis, dass der Verfassungsvertrag sogar die Position der Mitgliedstaaten als „Herren“ der vertraglichen Grundlagen stärke: A. Puttler, Sind die Mitgliedstaaten noch „Herren“ der EU? – Stellung und Einfluss der Mitgliedstaaten nach dem Entwurf des Verfassungsvertrages der Regierungskonferenz, in: EuR 2004, 669 (688).

[29]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Zu bisherigen Austrittsmöglichkeiten und dem neuen Austrittsrecht in Art. I-60 VVE A. Puttler, Sind die Mitgliedstaaten noch „Herren“ der EU? – Stellung und Einfluss der Mitgliedstaaten nach dem Entwurf des Verfassungsvertrages der Regierungskonferenz, in: EuR 2004, 669 (676 ff.).

[30]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Zum Austrittsrecht A. Weber, Zur föderalen Struktur der Europäischen Union im Entwurf des Europäischen Verfassungsvertrags, in: EuR 2004, 841 (852 ff.). – Das neue Austrittsrecht verliert seine Bedeutung auch nicht etwa dadurch, dass „Deutschland militärisch zur Integration gezwungen würde“, falls es Austrittswünsche äußerte. Diese Spekulation aus der von A. Schachtschneider verfassten Gauweiler-Antragsschrift zu den Verfahren gegen den Verfassungsvertrag vor dem Bundesverfassungsgericht (http://www.peter-gauweiler.de/pdf/themen/EU-Verf-Klage-27-5.pdf; dort S. 80) ist so wirklichkeitsfern, dass sie keiner weiteren Erörterung bedarf, sondern hier nur als Kuriosum wiedergegeben werden soll.

[31]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Dazu und zum Folgenden J. Bergmann, Staatswerdung durch Konstitutionalisierung? – Zur neuen EU-Verfassung, in: VBlBW 2005, 121 (125 f.).

[32]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. dazu insbesondere die Regelungen in Art. I-40, I-41, III-376 VVE.

[33]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Dazu auch N. Görlitz, Europäischer Verfassungsvertrag und künftige EU-Kompetenzen – Materielle Kompetenzverschiebungen zwischen Europäischer Union und EU-Staaten nach den Vorgaben des Konventsentwurfs eines künftigen EU-Verfassungsvertrags –, in: DÖV 2004, 374 (378 f.).

[34]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Dazu J. Bergmann, Staatswerdung durch Konstitutionalisierung? – Zur neuen EU-Verfassung, in: VBlBW 2005, 121 (126).

[35]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Übereinkommen vom 26.7.1995 über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts, BGBl. 1997 II, S. 2150.

[36]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Zu den Kompetenzverschiebungen im Bereich der PJZS vgl. N. Görlitz, Europäischer Verfassungsvertrag und künftige EU-Kompetenzen – Materielle Kompetenzverschiebungen zwischen Europäischer Union und EU-Staaten nach den Vorgaben des Konventsentwurfs eines künftigen EU-Verfassungsvertrags –, in: DÖV 2004, 374 (377 f.).

[37]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Schon bisher hatte die EG allerdings einige Kompetenzen im Bereich der Energiepolitik; vgl. dazu N. Görlitz, Europäischer Verfassungsvertrag und künftige EU-Kompetenzen – Materielle Kompetenzverschiebungen zwischen Europäischer Union und EU-Staaten nach den Vorgaben des Konventsentwurfs eines künftigen EU-Verfassungsvertrags –, in: DÖV 2004, 374 (381).

[38]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. zu den Kompetenzerweiterungen (allerdings noch bezogen auf die Fassung des Konventsentwurfs des Verfassungsvertrages) N. Görlitz, Europäischer Verfassungsvertrag und künftige EU-Kompetenzen – Materielle Kompetenzverschiebungen zwischen Europäischer Union und EU-Staaten nach den Vorgaben des Konventsentwurfs eines künftigen EU-Verfassungsvertrags –, in: DÖV 2004, 374 (379 ff.).

[39]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Dazu J. Bergmann, Staatswerdung durch Konstitutionalisierung? – Zur neuen EU-Verfassung, in: VBlBW 2005, 121 (127); N. Görlitz, Europäischer Verfassungsvertrag und künftige EU-Kompetenzen – Materielle Kompetenzverschiebungen zwischen Europäischer Union und EU-Staaten nach den Vorgaben des Konventsentwurfs eines künftigen EU-Verfassungsvertrags –, in: DÖV 2004, 374 (382).

[40]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Die Durchführung eines Referendums als bloß formale Voraussetzung genügt jedenfalls nicht; vielmehr kommt es auch auf den Inhalt der neuen Verfassungsordnung (insbesondere deren Eignung zur Freiheitssicherung) und auf einen sich abzeichnenden dauerhaften dementsprechenden Konsens an. Zu den Voraussetzungen einer Überschreitung der Grenzen der Verfassungsänderung unter dem Gesichtspunkt der Legitimität dieses Vorgangs als Akt der Verfassunggebung vgl. näher T. Herbst, Legitimation durch Verfassunggebung, S. 133 ff.

[41]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Die Bezeichnungsweise wird nicht konsequent durchgehalten. So ist z.B. in Art. IV-443 Abs. 1 VVE wieder von einer „Änderung dieses Vertrags“ die Rede.

[42]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; D. Grimm, Braucht Europa eine Verfassung?, 1995, S. 31, 49 f.

[43]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Das trifft auch für den Verfassungsbegriff zu, den D. Grimm in der Diskussion über eine Europäische Verfassung verwendet (vgl. vorige Fußnote). Näher dazu T. Herbst, Legitimation durch Verfassunggebung, S. 210 ff.

[44]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. zuletzt D. Grimm, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12.5.2005; Grimm legt eben den skizzierten Begriff der herkömmlichen Staatsverfassung zugrunde (ohne dies ausdrücklich zu sagen), weshalb seine Skepsis gegenüber dem Verfassungsvertrag nicht verwundert.

[45]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. aus jüngerer Zeit A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, insb. S. 38 ff., 93 ff.

[46]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. nur A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 167 ff. und passim; D.H. Scheuing, Zur Verfassung der Europäischen Union, in: W. Böhm/M. Lindauer (Hrsg.), Europäischer Geist – Europäische Verantwortung, 1993, S. 135 (139); A. v. Bogdandy, Skizzen einer Theorie der Gemeinschaftsverfassung, in: v. Danwitz/Heintzen/Jestaedt/Korioth/Reinhardt (Hrsg.), Auf dem Wege zu einer Europäischen Staatlichkeit, 1993, S. 9 (25); J. Schwarze, Verfassungsentwicklung in der Europäischen Gemeinschaft, in: ders./R. Bieber (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa, 1984, S. 15 (23 ff.).

[47]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Der EuGH bezeichnet das Primärrecht schon im Urteil „Les Verts“ (EuGHE 1986, 1339, 1365) und seit dem sog. 1. EWR-Gutachten (EuGHE 1991, I-6079, Rn. 21) in ständiger Rspr. als „Verfassung“. Auch die europarechtliche Literatur verwendet übereinstimmend diese Bezeichnung für das Primärrecht. Vgl. dazu M. Zuleeg, Die Verfassung der Europäischen Gemeinschaft in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, in: BB 1994, 581; G.C. Rodriguez Iglesias, Zur „Verfassung“ der Europäischen Gemeinschaft, in: EuGRZ 1996, 125. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte in einer früheren Entscheidung (BVerfGE 22, 293, 296) formuliert: „Der EWG-Vertrag stellt gewissermaßen die Verfassung dieser Gemeinschaft dar“.

[48]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Dennoch besteht der Text des Verfassungsvertrages aus mehreren Teilen, zwischen denen teilweise immer noch Brüche bestehen; vgl. etwa die unterschiedlichen Begründungen des Grundrechtsschutzes in Art. I-9 Abs. 1 VVE (mit dem Hinweis auf die Grundrechtecharta) und Art. I-9 Abs. 3 VVE (mit dem Hinweis auf die EMRK und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten). Darüber hinaus müssen zum Inhalt der Verfassung auch die zahlreichen angehängten Protokolle gerechnet werden, die den Eindruck der Geschlossenheit wieder relativieren.

[49]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Die Charta wurde beim Europäischen Rat von Nizza am 7.12.2000 proklamiert und im Amtsblatt der EG veröffentlicht (ABl. der EG C 364 v. 18.12.2000, S. 1).

[50]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Das Bedürfnis nach besonderer demokratischer Legitimation besteht nicht nur in Bezug auf den Verfassungsvertrag, sondern auch schon für das bisherige Primärrecht, das ebenfalls dem offenen Verfassungsbegriff unterfällt. Darin, dass das bisherige Primärrecht keine solche besondere demokratische Legitimation erfahren hat, ist ein Legitimitätsmangel zu sehen, der allerdings nicht zum Verdikt der Illegitimität führt, sondern nur zu der Feststellung, dass die Legitimität des bisherigen Primärrechts verbesserungsbedürftig und auch verbesserungsfähig ist.

[51]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Die Verfahrensweisen einiger wichtiger historischer Verfassunggebungen sind dargestellt bei K. v. Beyme, Die verfassunggebende Gewalt des Volkes, 1968.

[52]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Zum „Geburtsmakel“ des Grundgesetzes vgl. nur H.-P. Schneider, Die verfassunggebende Gewalt, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 7, 1992, § 158 Rn. 37.

[53]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 1998, Art. 20 (Demokratie) Rn. 98.

[54]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. zu den Schwierigkeiten plebiszitärer Demokratie E.-W. Böckenförde, Demokratische Willensbildung und Repräsentation, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 2. Aufl. 1998, § 30.

[55]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; J. Bergmann, Staatswerdung durch Konstitutionalisierung? – Zur neuen EU-Verfassung, in: VBlBW 2005, 121 (127).

[56]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. in der Antragsschrift (http://www.peter-gauweiler.de/pdf/themen/EU-Verf-Klage-27-5.pdf) S. 82.

[57]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; A. Bleckmann (Die Zulässigkeit des Volksentscheides nach dem Grundgesetz, in: JZ 1978, 217 (220 f.)) hält dies offenbar für möglich, gibt dem verfassungsändernden Gesetzgeber aber bei der Einschätzung der Folgen der Einführung plebiszitärer Elemente einen Prognosespielraum.

[58]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. dazu H. Hofmann, Bundesstaatliche Spaltung des Demokratiebegriffs?, in: W. Barfuß (Hrsg.), FS für Karl H. Neumayer, 1985, S. 281 (296).

[59]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. dazu oben Fn. 1.

[60]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; M. Elicker, Verbietet das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Verfassung?, in: ZRP 2004, 225.

[61]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. auch T. Herbst, Volksabstimmung ohne Grundgesetz?, in: ZRP 2005, 29.

[62]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; M. Elicker, Verbietet das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Verfassung?, in: ZRP 2004, 225 (228).

[63]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Ebda.

[64]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. dazu näher T. Herbst, Legitimation durch Verfassunggebung, S. 88, 106 ff.

[65]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. zu Begriff und Problematik der Verfassungsdurchbrechung U. Hufeld, Die Verfassungsdurchbrechung, 1997.

[66]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Elicker zieht hier das BVerfG zu Unrecht als Bürgen für seine These vom allgemeinen Vorrang des Volkes vor der Verfassung heran (Verbietet das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Verfassung?, in: ZRP 2004, 225 (228)). Er zitiert die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Kommunalwahlrecht für Ausländer in Schleswig-Holstein (BVerfGE 83, 37, 51) und zum Vertrag von Maastricht (BVerfGE 89, 155, 180). Die von ihm zitierte Passage in der ersteren Entscheidung legt nicht etwa dar, dass das Volk bei „Abstimmungen“ i.S.v. Art. 20 II 2 GG in gleicher Weise von verfassungsrechtlichen Bindungen freigestellt wäre wie bei einer Verfassunggebung nach Art. 146 GG, obwohl beide Bestimmungen in der Passage genannt werden. Vielmehr geht es dem BVerfG hier um die Definition des Begriffes „Volk“ und die Zusammensetzung des Volkes; die verschiedenen Funktionen und Eigenschaften des Volkes (nämlich als Gesetzgeber und als Verfassunggeber) werden vom BVerfG nicht thematisiert. Und in der Maastricht-Entscheidung sagt das BVerfG zwar tatsächlich, dass die verfassunggebende Gewalt nicht durch Art. 79 III GG gebunden werden kann; aber an der entsprechenden Stelle heißt es weiter über Art. 79 III GG: „Er zieht demgemäß der verfassungsändernden Gewalt Grenzen und schließt damit förmlich aus, ein verfassungsänderndes Gesetz, das den veränderungsfesten Kern des Grundgesetzes antastet, im Wege eines Volksentscheides zu legitimieren.“ Damit ist klar gesagt, dass zwischen Volksabstimmungen im Rahmen der Verfassunggebung und solchen im Rahmen einer Verfassungsänderung (und natürlich auch der einfachen Gesetzgebung) zu unterscheiden ist und dass eine Volksabstimmung keineswegs als solche jede Bindung von der Verfassung löst. Die von Elicker zitierte Passage in der Maastricht-Entscheidung des BVerfG stützt die These Elickers also keineswegs, im Gegenteil: sie steht in glattem Widerspruch zu ihr.

[67]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Dazu näher T. Herbst, Legitimation durch Verfassunggebung, S. 38 ff., 53 ff., 103 ff.

[68]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. oben B.II.

[69] &xnbsp;&xnbsp; Elicker nimmt eine Bindung des pouvoir constituant an solche überpositiven Rechtsgrundsätze an: M. Elicker, Verbietet das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Verfassung?, in: ZRP 2004, 225 (228).

[70]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Das auch von Elicker ebda. angesprochene Generationenproblem wurde schon von den Verfassungstheoretikern der Amerikanischen und der Französischen Revolution ausgiebig diskutiert. Bei den Amerikanern ist hier vor allem Thomas Jefferson hervorgetreten und hat damit wohl auch die französische Lehre, insbesondere die Lehre Condorcets, beeinflußt. Dazu E. Zweig, Die Lehre vom Pouvoir Constituant, 1909, S. 102 f.; D. Murswiek, Die verfassunggebende Gewalt nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 217 ff.

[71]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, 6. Aufl. 2003, § 31 (S. 101 ff.).

[72]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; D. Murswiek, Die verfassunggebende Gewalt nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, S. 217 ff.

[73]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Ausführlicher dazu und zum Folgenden T. Herbst, Legitimation durch Verfassunggebung, S. 133 ff.

[74]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Elicker lehnt den „Verfassungsvorbehalt“ für Volksabstimmungen ab und versteht Art. 20 II 2 GG als Hinweis auf schon jetzt, ohne Verfassungsänderung und sogar ohne einfachgesetzliche Grundlage durchführbare Volksabstimmungen: M. Elicker, Verbietet das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Verfassung?, in: ZRP 2004, 225 (227 f.).

[75]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; So H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, Art. 20 (Demokratie) Rn. 95 (allerdings ohne daraus die von Elicker behauptete Konsequenz zu ziehen, Bundesplebiszite seien ohne weitere Verfassungsänderung zulässig).

[76]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; M. Elicker, Verbietet das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Verfassung?, in: ZRP 2004, 225 (227 f.).

[77]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; M. Elicker, Verbietet das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Verfassung?, in: ZRP 2004, 225 (229).

[78]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; In der von Elicker als Beleg seiner Behauptung, Art. 20 II 2 GG erfasse nicht die Territorialplebiszite, herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Kommunalwahlrecht für Ausländer in Schleswig-Holstein legt das Gericht zwar zunächst in der Tat dar, dass das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland aus der Gesamtheit aller Staatsangehörigen und der Statusdeutschen i.S.v. Art. 116 GG besteht (BVerfGE 83, 37, 50 f.); nur zwei Seiten danach nimmt das Bundesverfassungsgericht aber Bezug auf die Landesvölker (und dann sogar auf die Gesamtheit der deutschen Einwohner in einer Gemeinde, also gewissermaßen das „Gemeindevolk“ – darum ging es ja gerade in dieser Entscheidung) und führt aus, dass die Staatsgewalt in den Bundesländern „gemäß Art. 20 Abs. 2, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG“ vom jeweiligen Landesvolk getragen werde. Der Begriff „Volk“ i.S.v. Art. 20 II GG ist daher nicht auf das Bundesvolk beschränkt, sondern erfasst je nach dem Kontext nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch die Landesvölker; „Abstimmungen“ im Sinne dieser Vorschrift können demnach auch solche der Landesvölker sein.

[79]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; M. Elicker, Verbietet das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Verfassung?, in: ZRP 2004, 225 (226 f.).

[80]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. zu dem beantragten, aber nicht aufgenommenen Artikel über Volksentscheid und Volksbegehren JöR N.F. 1 (1951), S. 620 ff. und zu den Beratungen über die Notwendigkeit eines Volksentscheids bei Verfassungsänderungen JöR N.F. 1 (1951), S. 574 ff.

[81]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; JöR N.F. 1 (1951), S. 198 f.

[82]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. JöR N.F. 1 (1951), S. 924 ff.

[83]&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp; Vgl. zu dieser Verfahrensvariante allgemein bei Volksabstimmungen über Gesetze H. Hofmann, Bundesstaatliche Spaltung des Demokratiebegriffs?, in: W. Barfuß (Hrsg.), FS für Karl H. Neumayer, S. 281 (297); A. Bleckmann, Die Zulässigkeit des Volksentscheides nach dem Grundgesetz, in: JZ 1978, 217 (219 f.).